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Marine Biological Laboratory Library

Woods Hole, Massachusetts

Lillie estate - 1977

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Verlag von VEIT & COMP. in Leipzig.

HANDBUCH DER MINERALÖGIE,

Von Dr. Carl Hintze,

0. ö. Professor der Mineralogie an der Universität Breslau,

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“The work is an invaluable book of reference, since it contains all that is to be found in other descriptive treatises and a great deal more besides, and appears to be extraordinarly accurate.”

H. A. Miers. (The mineralogical Magazine. 1897. Vol. XT.)

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Wilhelm Ostwald.

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Die „Vorlesungen über Naturphilosophie‘‘ des berühmten Chemikers, der auch ein hervorragender Schriftsteller ist, sind eine der interessantesten Erscheinun- gen der letzten Jahre; sie werden in den Kreisen der naturwissenschaftlich denkenden Gebildeten sich wachsende Verbreitung erringen. Die „Vorlesungen“ stellen kein Lehrbuch oder System dar, sondern sind dasErgebnis umfassender Erfahrung bei Forschung und Unterricht, das durch die schöne Form, in der es geboten wird, eine außergewöhnliche Anziehungskraft aufden Leser ausübt.

GESCHICHTE DES GELEHRTEN UNTERRICHTS

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„Wenn diese Deutung der historischen Tatsachen nicht gänzlich fehlgeht, so wäre hieraus für die Zukunft zu folgern, daß der gelehrte Unterricht bei den modernen Völkern sich immer mehr einem Zustande annähern wird, in welchem er aus den Mitteln der eigenen Erkenntnis und Bildung dieser Völker bestritten wird.‘

GRUNDZÜGE DER PHYSISCHEN ERDKUNDE

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MUTATIONSTHEÖORIE

VERSUCHE UND BEOBACHTUNGEN

ÜBER DIE ENTSTEHUNG VON ARTEN IM PFLANZENREICH VON

HUGO ve VRIES,

a Ola > PROFESSOR DER BOTANIK IN AMSTERDAM. & E > | | ZWEITER BAND. er, = /SV/ELEMENTARE BASTARDLEHRE.

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MIT ZAHLREICHEN ABBILDUNGEN UND VIER FARBIGEN TAFELN.

LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1903

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Vorwort zum zweiten Bande.

Die Zerlegung des Artbegriffes in seine einzelnen Factoren ist das Ziel der Mutationslehre. Dieses Ziel soll auf dem Wege des Experimentes erstrebt werden. Die Mutationen und die Kreuzungen bieten dazu die Mittel. In meiner Intracellularen Pangenesis habe ich zuerst den Gedanken ausgesprochen, dass diese Factoren nicht, wie man bis dahin meinte, die Organe und die Zellen sind, sondern die im lebenden Protoplasma thätigen Eigenschaften. Die Hoffnung einer experimentellen Begründung dieses Satzes war für mich seitdem (1889) die Richtschnur bei den Untersuchungen, welche den Gegenstand des vorliegenden Werkes bilden.

Dazu war zunächst die fluctuirende Variabilität auszuscheiden. Die Gültigkeit und die hohe Bedeutung des QUETELET’schen Gesetzes für die Botanik waren allerdings dem genialen Begründer der statis- tischen Anthropologie nicht entgangen, den Botanikern jedoch waren sie unbekannt geblieben. Im Jahre 1894 habe ich in einer vorläufigen Mittheilung in den Berichten der Deutschen botanischen Gesellschaft darauf aufmerksam gemacht und gezeigt, welche Aufschlüsse ab- weichende Curven für specielle Vererbungsfragen versprechen können. Seitdem ist dieser Gegenstand von LupwiG, VERSCHAFFELT, MAc LEoD und vielen Anderen eingehend behandelt worden. Ihre Beiträge bilden mit meinen eigenen Studien die Grundlage, auf der ich im vorliegenden Werke versucht habe, eine völlige Trennung der Variabilitätslehre in ihre beiden Hauptabtheilungen, die eigentliche oder oscillirende Varia- bilität und die Mutabilität, durchzuführen, nachdem ich das Princip

IV Vorwort.

in einem im Jahre 1898 gehaltenen Vortrag über „Einheit und Ver- änderlichkeit“ dargelegt hatte.

Sodann galt es, die Monstrositäten in den Bereich der Erblich- keitslehre hereinzuziehen. Dass sie erblich sind, habe ich, der damals herrschenden Auffassung entgegen, zuerst 1889 ausgesprochen. In meiner „Monographie der Zwangsdrehungen“ und in einer Reihe von Beiträgen zu dem von Mac Leon herausgegebenen Krwidkundig Jaar- boek (1891—1899) habe ich diesen Satz weiter begründet. Die in jenen Abhandlungen beschriebenen Versuche sind in dem vorliegenden Buche nur in sehr abgekürzter Form vorgeführt.

Meine wichtigste Aufgabe war die Beobachtung des Mutations- vorganges selbst. Hierüber habe ich zuerst im Jahre 1900 in den Comptes rendus der französischen Academie, sodann in einem in Hamburg auf der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte gehaltenen Vortrag (1901) und in einer Reihe weiterer Aufsätze und Vorträge berichtet. Die Veröffentlichung mehrerer ähnlicher Fälle durch verschiedene Schriftsteller hat sich seitdem daran an- geschlossen. Auch auf die von mir beobachteten Mutationen .von Dahlia variabilis fistulosa, Linaria vulgaris peloria und Chrysanthemum segetum plenum sind Beobachtungen über das plötzliche Auftreten verschiedener Varietäten gefolgt. Alle diese Erfahrungen gestatten den Schluss, dass Mutationen in nächster Zeit voraussichtlich einem Jeden durch Beobachtung zugänglich sein werden.

Hauptsache ist es dabei, zwischen progressiven und retrogressiven Mutationen zu unterscheiden. Sowohl für die Erblichkeitslehre als für die Bastardlehre hat dies eine principielle Bedeutung. Der Fortschritt im Stammbaum beruht ja auf Progression, wenn diese auch ganz allgemein von Regression begleitet wird. Diese beiden Richtungen des Evolutionsprocesses zu trennen, ihren inneren Gegen- satz zu beleuchten und sie dem Experiment zugänglich zu machen, betrachte ich als eines der wesentlichsten Ziele des vorliegenden Werkes.

Seit der Bearbeitung der ersten Lieferung dieses Buches (er- schienen im November 1900) sind jetzt drei Jahre verflossen. Auf dem Gebiete der Bastardirungen schlummerte die Forschung bis zu

orwort. V

unbekannt geblieben, wohl in Folge des Umstandes, dass weder MENDEL selbst, noch seine Leser, sogar nicht die hervorragendsten Hybridologen jener Zeit, wie Fockz, die Tragweite seiner Ergebnisse erkannten. Sie musste den Anhängern der Selectionslehre noth- wendiger Weise entgehen; sie konnte erst durch ein zusammen- hängendes Studium der Bastardirungsvorgänge mit den Mutations- erscheinungen an’s Licht gefördert werden. Erst nachdem der Nachweis der realen Existenz der Einheiten, welche MENDEL zur Erklärung seiner Formeln annimmt, durch die Mutationen der Oenothera geliefert worden war, trat die hohe Bedeutung dieses mustergültigen Einzelstudiums an’s Licht. Meine im Frühjahr 1900 veröffentlichte Auffassung der Mrnper’schen Ergebnisse fand bald darauf sehr wesentliche Stützen in den hervorragenden Veröftentlichungen anderer Forscher, unter denen namentlich CoRRENS, TSCHERMAK und WEBBER, und auf zoologischem Gebiete BATEson und ÜvExorT zu nennen sind. Wohl überall werden jetzt diese Principien als Ausgangspunkte für die weitere Forschung benutzt.

Doch soll man sich vor Uebertreibung hüten. Die Menper’schen Gesetze, obgleich von viel grösserer Tragweite als ihr Urheber ahnte, umfassen keineswegs das ganze Gebiet der Bastardirungserscheinungen. Gerade im Gegentheil sind sie auf die retrogressiv und degressiv entstandenen Differenzen beschränkt, wie ich in meiner letzten vor- läufigen Mittheilung dargelegt habe, und im vorliegenden Bande aus- führlich zu begründen suche. Die fortschrittlichen Differenzen fügen sich ihnen weder während ihrer Entstehungsperiode, noch auch später, wenn das betreffende Mutationsvermögen längst verschwunden ist. Sie folgen ganz anderen Gesetzen, indem constante Bastardrassen oder doch constante Bastardeigenschaften entstehen. Diese Erschei- nung führt im Freien zu der Bildung neuer Arten durch Bastardirung.

Die retrogressiv und die degressiv entstandenen Merkmale sind im Allgemeinen kennzeichnend für die Varietäten, die progressiven für die elementaren Arten. Die systematischen Arten unterscheiden sich von ihren nächsten Verwandten theils in progressiven, theils in retrogressiven und degressiven Kennzeichen, d. h. also theils durch

vI Vorwort.

echte Artmerkmale, theils durch eigentliche Varietätsmerkmale. Von

der Erhebung dieser Erfahrungen zu einem Prineip für die syste- matische Behandlung dürfte früher oder später eine Klärung auf dem überaus verworrenen Gebiete des Artbegriffes zu erwarten sein. Und dazu wird die Bastardlehre in sehr hohem Grade beitragen können, indem sie ermittelt, welche Merkmale sich im Bastard spaltungsfähig, also nur vorübergehend, und welche sich auch für die späteren (renerationen constant verbinden lassen.

Amsterdam, im April 1903.

Hugo de Vries.

Inhalt.

Elementare Bastardlehre.

Seite mE a RAP ar re Erster Abschnitt.

Die elementaren Eigenschaften in der Bastardlehre. I. Die einfachen Bastarde erster Generation . $ 1. Mischlinge und Blendlinge S 2. Die Eigenschaften der es na su üiefenigen de Eltern beschränkt . .-.. . N ha Grosse Ueppigkeit 12. " Monstrositäten 16. $ 3. Imtermediäre, goneokline und einseitige Bastarde . . . le Abschätzung der Merkmale 21. Prrer’s Zahlengruppe 24. $ 4. Die Präpotenz der phylogenetisch älteren Eigenschaften . . . 33 Gattungstypen 36. SE DereAtayısmussbeis.den. Bastardene 27 er 42 816 Die Variabilitätsder, Bastardepr.n.H =. ıanalas run 2 146 Schwankende Prävalenz 48. Kreuzung und Selection 53. Pleiotypie 54. If. _Die Nachkommen der einfachen Bastarde . : » »: 2 u 2.2.0... 56 S 7. Die Fruchtbarkeit der Bastarde . . aD E56 Sexuelle Affinität 57. Absolute Sterilität 58. Schwächung der Sexualorgane 61. Jencıc’s Zahlen 64. Spätere Gene- rationen 65. SL 82 Dies eonstanten Bastardrasseme =, 0 Tr er heizen... 66 $S 9. Die inconstanten Bastardformen . . . ET en A Einige Eigenschaften inconstant, ee che 7. 12 Die Folgen wiederholter Kreuzungen . 2 a mise 2. 2,0% 18 8.410. x Zweielterliche abgeleitete Bastarde .: . 2. ne. 202°. 78

Zufällige Kreuzungen mit den Eltern 84. Ueberführen einer Art in eine andere 84. SERL2 7 Dernaresundmehrfache Bastarde) % mer ED re 28

VII

IT.

Inhalt, Seite s 12. Die variablen Bastardrassen des Gartenbaues . : 87 Gladiolus 89. Amaryllis 93. Canna 95. Viola 96. $ 13. Kreuzungen vermuthlicher Bastarde : : 97 Werth von Ausnahmefällen 97. Oenothera er ae 100. Oeno- thera rubiennis 102. Zweiter Abschnitt. Die MENDEL'schen Spaltungsgesetze. Die Methode der Erbzahlen 111 S$S 1. Mono-, Di- und Polyhybriden ee Gegenwärtiger Stand der ER 11l. Primäre und secundäre Merkmale 113. Ziele der Bastardlehre 113. Mono- hybriden 114. Erbzahl 117. $ 2. Uebersicht der Fehlerquellen . 2 118 Keimprobe 119. Genauigkeit 120. S 3. Die in der Landwirthschaft bei en En Latitüde FE A 123 300 Keimlinge Al 124. Latitüde 8— 5°/, 124. "Tabellen über die Latitüde 126, 128. $ 4. Empirische Ermittelung der Fehlergrenze 131 Versuche mit Trieotylen 133. Dan 137. Die typischen Bastardspaltungen 137 S 5. Die Menper’schen Bastarde En Rassenmerkmale 141. Menxper’sche Bastarde 141. eolane Bastarde 142. $ 6. Die erste Generation der MEnper’schen Monohybriden 143 Dominanz des activen Merkmales 145. Tabelle 146. S T. Die zweite Generation der Monohybriden 149 Tabelle 151. $ 8. Die dritte Generation der Monohybriden 160 Papaver somniferum 164. $ 9. Die späteren Generationen der Monohybriden . 168 Spaltung nach acht Generationen. 171. $ 10. Die Ei- und Samenzellen der Monohybriden . 172 Zerlegung des Artcharakters in Factoren 173. $ 11. Die Kreuzung der Monohybriden mit ihren Eltern 175 Tabelle 178. $ 12. Die Dihybriden 5 150 Erklärung aus den en De 186. $ 13. Die Tri-Polyhybriden . 187

Combinationsreihe 139.

Inhalt.

IX Seite III. Anwendungen der Spaltungsgesetze 194 S 14. Die Zerlegung der Blüthenfarben . KOREn an 194 Hybridologische Analyse und Synthese 200. Künstlicher Atavismus 206. S 15. Der dornlose Stachelginster . 206 IV. Kreuzungen tricotyler Rassen . ehe alu 2 S 16. Das Vorkommen von we als Halbrassen und als Mittel- rassen . al Dil 215. Halbe 215. ine 219. Trans- gressive Variabilität 221. $ 17. Trieotylen, Hemitricotylen und Tetracotylen . re ER DDD Hemitricotylen sind keine Bastarde 223. Gabelung tetra- cotyler Stämme 227. S 18. Einfluss der Tricotylie auf die Blattstellung . 1: Ternäre Blattstellung 229. Zwangsdrehung 231. Gespaltene Blätter und Stämme 232. ar Becher 236. $ 19. Trieotyle Halbrassen en 238 Tricotylen in käuflichen en 939. Isolirung der Mittel- rasse 240. Grossmutterwahl 242. Tabelle über die Erb- lichkeit in den Halbrassen 247. $ 20. Tricotyle Mittelrassen entstehen nicht durch Seleetion 247 Amarantus speciosus 251. Scrophularia nodosa 258. $ 21. Die Isolirung tricotyler Mittelrassen . En nn eh Selection von Hochzuchten 269. Tabelle über die Isolirung und die Verbesserung’ durch Selection 281. S 22. Die partielle Variabilität der Tricotylie : 285 Ort der tricotylen Keime auf der Mutterpflanze 286. $ 23. Einfluss der Lebenslage auf die Tricotylie 239 Düngung 290. Topfeultur 291. Schatten 293. $ 24. Kreuzung der Mittelrassen mit den Halbrassen . 293 Die Bastarde sind keine Mittelbildungen 294. Transgreine Variation 296. Tabellen 306. Anschluss an die MEnper’schen Formeln 309. $S 25. Kreuzung tricotyler Rassen von verschiedenen Arten . 309 Tabellen 318. V. Kreuzung syncotyler Rassen f 319 S 26. Hemisyncotylie, Syncotylie, FE ren 319 Blattstellung 324. Zwangsdrehung 325. Aseidien 326. $ 27. Helianthus annuus syncotyleus . Sal See 2 Krane 326 Stammbaum 329. Curven 332.

S 28. Eine hemisyncotyle Zuchtrasse . 333 Stammbaum 337.

S 29. Atavistische Zuchtrassen 337 Stammbaum 339.

$ 30. Einfluss der Lebenslage auf die Erbzahlen 340

Spätere Blattstellung 341.

v1.

Vu.

VII.

Inhalt.

s 31. Kreuzungsversuche u Anschluss an die MENDEL’ Ehe ER 345,

Kreuzung stark variabler Eigenschaften s$ 32. Kreuzungen von Halb- und Mittelrassen

Doppelte Curve von Chrysanthemum 349. Trausgressive Variabilität 351. Beispiele 351. $ 33. Papaver somniferum polycephalum Danebrog

D)

Uebersicht der Mexper’schen Bastarde S 34. Retrogressive und degressive Merkmale ee ee Activ x latent oder typische Mexper-Kreuzungen 369. Kreu- zungen stark variabler Eigenschaften 370. Uebersicht 373. Merkmalspaare 373. Activ dominirt über latent, semi-

latent über semi-activ 374.

Der sogenannte Atavismus im Gartenbau

5. Die Mernper’schen Gesetze im Gartenbau

6. Die Reinheit käuflicher Samenproben

7. Das Vieinovariiren und die Viecinisten : ee Variiren unter dem Einfluss der Nachbarn 383. Erforder-

liche Entfernungen 386. Zufällige Artkreuzungen 387.

38. Kritik des Gartenbau- Atavismus r u Der sogenannte Atavismus ist oft en 389.

39. Inconstante Rassen und Varietäten

Fixiren neuer Varietäten 394.

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#74)

Dritter Abschnitt.

Die Mutationskreuzungen.

Kreuzungen in einer Mutationsperiode

$ 1. Mutationskreuzungen in der Gattung Oenothera Mutationskreuzungen 398. Dihybride 399. Erste nn zwei- bis dreiförmig 399. Bastarde constant 399. $ 2. Die Erbzahlen von Oenothera lata . : Va Werth 21—24°,, Grenzwerthe 4—45°/, 405. Werth nach neun Generationen 406.

s 3. Die Erbzahlen von Oenothera nanella ME ne Sie sind dieselben wie bei O. lata 407. Reciproke Erb-

zahlen 411. Ss 4. Die Abhängigkeit der Erbzahlen von verschiedenen Ursachen .

Individuelle Kraft 412. Correlation mit Samenreichthum 415. Seitenzweige 416. Quantität des Blüthenstaubes 416. Be- schneiden der Narben 417.

$ 5. Die Erbzahlen der übrigen neuen Arten .

Seite

342

346 346

360

367 367

374 374 376 383

388

391

396 396

400

406

411

418

Inhalt. XI

Seite $S 6. Dihybride Kreuzungen . . ER PETE ER NE RAU Oen. lata x O. nanella 421. S 7. Die Constanz in den späteren Generationen . . 2.2.2... 42 Oen. nanella 423. OÖ. Lamarckiana 425. $ 8. Mutationen nach Kreuzungen. . . DET ERBEN A425 $ 9. Die Kreuzung mutabler Eigenschaften N ee ee 2} Uebersicht 427. IE :CombininirterMutationskreuzungen! » Yun kur) man ten rag $ 10. Oenothera brevistylis . . 3 Pe rd $S 11. Oenothera Pohliana (O. Be x ö. ee Ser 5 Stammbaum 441.

$ 12. Die Spaltungen unter den Bastarden der Oenothera nanella . 443 Oen. rubiennis x nanella 445.

Sals.2 "Oenotheratrubrinervir Xonanella ı ur are er ra

Menper’sche Spaltungen 451. Oen. rubrinervis nanella, Con- stanz 453. Kreuzungen 455. S$S 14. Der Austritt aus der Mutationsperiode . . . . 0.45 Oen. rubrinervis in Bezug auf das Nanella- Merkrial 458.

Vierter Abschnitt.

Die unisexuellen Kreuzungen.

I. Die constanten Eigenschaften der Bastarde. . . . 461 $ 1. Die Kreuzung auf den Gebieten der Variabilität und ie Mutabilität 461 S 2. Ungepaarte Eigenschaften . . . 466

Avunculäre und collaterale en 469. Ssmeskelen Stammbaum von Oenothera 470.

IE, Combinitte unisexuelle Kreuzungen 387. 2 Kun Bea ae u. 403 S 3. Kreuzungen der Abkömmlinge von Oenothera Lamarckiana mit

älteren Arten . . . IR N RE RIRIE NN NAAR BEAT

S 4. Die erste Generation der Eatarde: a 474

Oen. lata 475. O. nanella 476. O. Seintallans 477. 0. nn nervis 478. Einfluss der Verwandtschaft 479. $ 5. Die Constanz in den späteren Generationen . . . . 2... 480

Fünfter Abschnitt. Anwendung der Bastardlehre auf die Lehre von der Entstehung der Arten.

EBEN StONISche SM a ee a a era nei 348

$S 1. Die Ansichten von Lın£ . . . AR an 2: A488 Artbildung durch Kreuzung 485.

II.

IIl.

IV;

VI.

Inhalt.

2. Die jetzt herrschenden Meinungen . 3. Neue Combinationen und neue Einheiten Anomalien oberhalb von Gallen 491.

Constante Menper'sche Bastardrassen .

U UN: UR Ya Se

RT

Constante wildwachsende Bastardrassen Kerxer’s Bastardrassen 501. Neue Arten entstehen als Bastarde .

UR —ı

Schartige Gerste 509. Tomaten 511.

Können durch Kreuzung inconstante Rassen entstehen?

S 8. Die Entstehung gestreifter Blumen .

Alter 514. Unähnlichkeit mit etaehraneen 516.

9. Die Inconstanz der Mittelrassen .

SR

UN

10. Zufällige Mutationen .

stehung von Varietäten 531.

$ 11. Die Kreuzung als Ursache von Atavismus Jugend-Atavismus 533. Atavistische Varietäten 534. $ 12. Die Hypothese von Kreuzungen in der Prämutationsperiode

önnen durch Kreuzung constante Rassen entstehen? .

Die constanten Bastardrassen der unisezuellen. er e

Kreuzung mutirter Sexualzellen 504. Darer Finfines der Kreuzungen 507. Mutationscoöffieienten 1—100°/, 509.

Vicariirende Eigenschaften 518. Ernährung begünstigt die Anomalie 523. Entstehen nicht durch Kreuzung 526.

Mutationen nach en 529. Polyphyletische Ent-

Erklärung der Mutationen von Oenothera Lamarckiana, nicht

durch Kreuzung 538.

Die Ineonstanz der verbänderten Rassen .

$ 13. Die Erblichkeit der Verbänderungen .

Strahlige und Ring-Faseiationen 548. 14. Halbrassen mit erblicher Verbänderung . 15. Mittelrassen mit erblicher Verbänderung 16. Die Bedeutung der Atavisten

IR UR UR

Zweigipfelige Curven 564. Mehrgipfelige Curve 568.

Erbliche Zwangsdrehungen .

$ 17. Die spiralige Blattstellung Einfluss der Lebenslage 573.

$ 18. Seltene Zwangsdrehungen .

$ 19. Zwangsgedrehte Rassen

Dipsacus 579. Dianthus 584. ee 585. Doppelrassen 586.

$ 20. Die Bedeutung der Atavisten

Kreuzungen des Cruciata-Merkmales Ss 21. Das Cruciata-Merkmal .

Sepalodie der Krone 595. Cruciate Rassen 599.

513 513

518

528

593 593

I.

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Inhalt. XIH Seite S 22. ÖOenothera cruciata varia als Mittelrasse . 602 Zweigvariation und sectoriale Variation 605. Semeibaum 606. s 23. Vergleichung cruciater und gestreifter Blumen 607 $ 24. Kreuzungen von Oenothera cruciata . 611 Uebersicht 611. $ 25. Oen. lata x O. cruciata varia 612 Spaltung 614. Stammbaum 616. $S 26. Oen. Lamarckiana x O. cruciata varia 617 $ 27. Oen. rubiennis cruciata 618 Constanz 618. $ 28. Kreuzungen von Oen. rubiennis cruciatia 621 $ 29. Die Entstehung von Oen. Lamarckiana cruciata 622 Stammbaum 625. $ 30. Kreuzungen von Oen. Lamarckiana cruciata . 627 Stammbäume 629 und 630. $ 31. Vergleichung der ceruciaten Bastardrassen mit OÖ. eruciata varia 630

Uebersicht 631.

Sechster Abschnitt.

Die Beziehungen der Mutationstheorie zu anderen Disciplinen.

Der Artbegriff in der Mutationstheorie $ 1. Systematik und Mutationslehre ; ; $ 2. Progressive, retrogressive und degressive Maren e Vicariirende Merkmalspaare»639. Doppel- oder Mittelrassen 640. Menper’sche oder Varietätskreuzungen 641. Unisexuelle oder Artkreuzungen 642.

$ 3. Der theoretische Unterschied zwischen Arten und Varietäten Progressive oder Artmerkmale, retrogressive und degressive oder Varietätsmerkmale 644. Merkmale der systematischen Arten 650. S 4. Der praktische Artbegriff Definition 653. Der Parallelismus zwischen der Byrlemalischen und der sexuellen Verwandtschaft . Arten und Varietäten 657.

IM or

Der Geltungsbereich der Mutationslehre

$ 6. Die Tragweite der bisherigen Erfahrungen .

Giebt es Mutationen? 659. Entstehen Arten Kahl aus diesen wie aus fluctuirenden Variationen? 661. Neuere Mutationen 663.

S 7. Die Erklärung der Anpassungen : BE

Lineare und begrenzte Variabilität 666. ieh 667. Kampf

um’s Dasein 667. Erste Anfänge 668. Nutzlose Eigen- schaften 669.

634 634 636

642

664

xIV Inhalt.

S 8. Vegetative Mutationen "Der Zeitpunkt des Mutirens 871. we Be ee 674. Cytisus Adami 676. Atavistische Knospenvariation 679.

III. Die stofflichen Träger der elementaren Eigenschaften

$ 9. Darwın’s Pangenesis . a N Da De re Innere Anlagen 684. Idioplasma 684. Bunte Blätter 686. Garton 687. Brooks 688. $ 10. Intracellulare Pangenesis . $ 11. Die Pangene als Träger der epkehen ee

IV. Die geologischen Mutationsperioden . MER?

$ 12. Die Periodieität der progressiven Mutationen Empirische und hypothetische Stammbäume 700, 701. $ 13. Die iterative Artbildung i $ 14. Die biochronische Gleichung Ä

Die Dauer des Lebens auf Erden 708. Anhang: Literatur . i

Vorarbeiten und aber Mittheilungen e Register

Seite 670

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ELEMENTARE BASTARDLEHRE.

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Einleitung.

Neben der bisherigen Bastardlehre erfordert die Mutationstheorie eine neue Abtheilung, welche nicht von der Bastardirung der Gattungen, Arten und Varietäten, sondern von dem Verhalten der elementaren Eigenschaften bei der Kreuzung handelt. Diesen Theil bezeichne ich als elementare Bastardlehre; ihre Prineipien sollen in diesem Bande, so weit es jetzt thunlich ist, vorgeführt werden.

Die elementaren Eigenschaften bilden für die Theorie die Ein- heiten, welche den sichtbaren Eigenschaften und Merkmalen zu Grunde liegen. Sie sind die Elemente der Art. Jede Art unterscheidet sich von der ihr nächst verwandten durch wenigstens eine solche Einheit. So oft eine solche Eigenschaft sich ausbildet, entsteht eine. neue Art. Einen solchen Vorgang nennen wir eine Mutation.

Während aber die Mutationen selbst bis jetzt nur in vereinzelten Fällen der Forschung zugänglich ‚sind, und die Entdeckung der Versuchsobjeete an sich in diesem Theile der Mutationslehre einen grossen Aufwand von Zeit und Arbeit erfordert, verhält es sich in der Bastardlehre durchaus anders. Hier liegt ein weites Feld für die Unter- suchungen offen. Ueberall ist es bearbeitet worden. Die hervor- ragendsten Forscher eines ganzen ‚Jahrhunderts, von KÖLREUTER bis auf MEnper, haben ihm ihre besten Kräfte gewidmet, und die neueren Untersuchungen von RımPAU, PETER, MACFARLANE, ÜORRENS, TSCHERMAK, WEBBER, Hurst und vielen Anderen haben die Aufmerksamkeit in weiteren Kreisen auf diese Forschungsrichtung gelenkt. Die Methoden des Arbeitens sind jetzt feststehende, und die Wahl der Objecte bietet kaum Schwierigkeiten.

Es bedarf nur der Einführung eines neuen Princips, um zu einer eingehenden Analyse der Erscheinungen zu gelangen. Beim jetzigen Zustande der Wissenschaft zeigen die Organismen bei Kreu- zungen eine gewisse Freiheit, eine sich jeder Berechnung entziehende Bildsamkeit, wie FockE sagt. Und die „ganz unglaubliche Mannig- -faltigkeit“ der Erscheinungen schemt Vielen ein unübersteigliches Hinderniss beim Aufsuchen ihrer Gesetze (HILDEBRAND). Auch ABBADo

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4 Einleitung.

und viele Andere mit ihm betonen, dass man auf die Ableitung all- gemeiner Gesetze einstweilen verzichten müsse. Naupın geht sogar so weit, dass er den Formenreichthum der’ Hybriden Variation desor- donnee nennt, „par ce quelle semble n’ötre assujettie ü aucune regle“, Und wenn man die Schlüsse vergleicht, zu denen die einzelnen Forscher gelangen, so findet man gar zu häufig die auffallendsten Wider- sprüche, je nachdem die Verallgemeinerungen von dieser oder jener Gruppe von Erscheinungen ausgehen. Mit grossem Rechte sagt MACFARLANE in seinen grundlegenden Studien über die anatomische Structur der Bastarde, dass alle die viele mühsame Arbeit, welche bis jetzt auf die Erforschung der Hybriden verwandt worden ist, doch nur betrachtet werden darf „as the small beginning to an inquiry that will yield results of great value“.

Seit um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts KÖLREUTER die ersten pflanzlichen Bastarde machte, wurde die Bastardlehre stets vorwiegend im Dienste der Systematik betrieben. Die Abgrenzung der Arten und Gattungen war fast überall das mehr oder weniger deutlich ausgesprochene Ziel. Den Grenzen, welche der Systematiker nur nach vergleichenden Studien ziehen kann, hoffte man hier durch Ver- suche eine sichere Grundlage zu geben. Die Zähigkeit, mit der die Artmerkmale auf die künstlichen Bastardorganismen übertragen werden, zeugt in hohem Maasse von ihrer selbstständigen Existenz, sagt NAUDIN, und noch schärfer spricht BarEsox dieses aus, wenn er sagt: „species is a mixture of different phenomena“, eine Gruppe von sehr verschieden- artigen Erscheinungen, welche wir unter einem Namen vereinigen. Allerdings hatte es im Anfang den Anschein, als ob das Studium der Hybriden die Systematik mit äusserster Verwirrung bedrohe, aber diese Gefahr ist jetzt wohl verschwunden, oder doch auf jene Gruppen beschränkt, in denen noch nicht durch künstliche Kreuzungen eine tiefere Einsicht erreicht wurde.

Sollen aber wirklich einmal die künstlichen Bastardirungen die Grundlage für die wissenschaftlichen Begriffe der Arten, Unterarten, Gattungen u. s. w. werden, so dürfte es zu allererst erforderlich sein, dass man bei den Kreuzungen selbst rein objectiv vorgehe. Die conventionellen Grenzen der genannten Gruppen sind einstweilen bei Seite zu stellen; man muss es versuchen, die Thatsachen ohne ihre Hülfe anzuordnen. Allerdings eine schwierige, beim jetzigen Stand unseres Wissens bei Weitem noch nicht genügend zu lösende Auf- abe. Aber dennoch kann nur eine rein empirische und vorurtheils- freie Behandlung der experimentellen Ergebnisse die Grundlage werden, auf der man später einmal den Artbegriff wird gründen können. Die

Einleitung. 5

systematischen Gruppen werden wohl immer conventionelle Grössen bleiben, ihre wissenschaftliche Unterlage sollte aber von jeder solchen Einmischung durchaus frei sein. j

Und dieses hohe Ziel kann meines Erachtens auf dem bis dahin -

betretenen Wege nicht erreicht werden. Die Mittel und Methoden, welche man bis jetzt benutzte, erscheinen gegenwärtig wohl Jedem als erschöpft. Nicht der Begriff der Art soll den Ausgangspunkt | bilden, um zur Erforschung der Art aufzusteigen. Es bedarf augenblicklich eines tieferen, mehr im Wesen der Organismen be- gründeten Principes. Dieses Princip aber ist meiner Ansicht nach die Lehre von den Einheiten, aus denen die Lebewesen aufgebaut sind, das Princip von den elementaren Eigenschaften. NäÄserı hat dieses in seiner Theorie der Bastardbildung klar auseinander- gesetzt: „Die äusseren Merkmale, die unserer sinnlichen Wahrnehmung zugänglich sind, haben gewiss einen grossen Werth, aber sie geben uns noch kein vollständiges und richtiges Bild. Sie drücken die inneren und wesentlichen Eigenschaften nur mangelhaft aus. Zwei Pflanzenformen können systematisch einander Ähnlich sehen, und doch in Wirklichkeit weiter von einander entfernt sein, als zwei andere, die in Bau und Habitus mehr von einander abweichen“ u. s.w. Im weiteren Aufbau der Bastardlehre sollte dieses Princip von den inneren und wesentlichen Eigenschaften immer mehr in den Vordergrund treten.‘ Denn gerade die Erscheinungen der 'Bastardirungen bilden die besten Stützen für die Auffassung der Artmerkmale als aus solchen elemen- taren Einheiten zusammengesetzte Eigenthümlichkeiten, wie JOHANNSEN in seinem und Warming’s Lehrbuch der Botanik betont.

Gelingt es einmal zu der Erkenntniss dieser Einheiten vorzu- dringen, so wird darauf ohne Zweifel eine in viel weiteren Kreisen befriedigende Lösung der Frage nach dem Artbegriffe möglich sein. Und ebenso einleuchtend dürfte es sein, dass auf keinem Gebiete diese Aufgabe eine grössere Aussicht der Lösung bietet, als gerade auf dem der Bastarde. Nur soll man die Pflanzen nicht als „Arten“ oder „Varietäten“, sondern einfach als Träger bestimmter elementarer Eigenschaften betrachten.

Aus diesen Erörterungen ergiebt sich als leitender Gedanke für unsere „Elementare Bastardlehre“ das Princip, dass es wesent- licher ist, eine einzelne Eigenschaft bei verschiedenen Pflanzenformen auf ihr Verhalten bei Kreuzungen zu stu- diren, als möglichst viele Eigenschaften in den Kreuzungen innerhalb einer einzelnen Gruppe von Pflanzen, z.B. inner- halb einer Gattung oder Art, zu berücksichtigen. Namentlich

6 Einleitung.

aber sollen diejenigen Eigenschaften aufgesucht und zusammengebracht werden, welche sich bei den Kreuzungen in analoger Weise verhalten. Haben die Eltern bei einer künstlichen Verbindung mehrere Difterenz- punkte, so braucht man diese nicht alle zu berücksichtigen, sondern kann, nach dem von SAGERET bereits 1826 gegebenen Beispiele, sich auf einzelne beschränken.

Diesen Prineipien entsprechend soll im vorliegenden Bande den Bastardirungen der neuen, aus Oenothera Lamarckiana in deren Mutationsperiode entstandenen Eigenschaften eine besondere Aufmerk- samkeit gewidmet werden. Denn hier kennt man die fraglichen Ein- heiten aus der Art und Weise ihrer Entstehung aus der Mutterform; ihr Verhalten bei Kreuzungen kann also als Muster für weitere Studien gelten. Daneben sollen die constanten Bastardformen bei einer Reihe von Arten studirt werden, um ihr übereinstimmendes Verhalten in solchen Fällen zu zeigen. Andere specielle Gegen- stände sollen eingehend besprochen werden, und namentlich sollen die von MENDEL in der Gattung Pisum entdeckten und in der neuesten Zeit von ÜORRENS und TSCHERMAK gründlich studirten Spaltungs- gesetze an möglichst verschiedenen Beispielen auf ihre allgemeinere Bedeutung geprüft werden.

Diesen, der Methode der elementaren Bastardlehre gewidmeten Studien möge eine sehr gedrängte Uebersicht über den jetzigen Zu- stand unseres Wissens vorangeschickt werden. Allerdings nicht in der Form einer „Allgemeinen Bastardlehre“ sondern ausschliess- lich mit dem Zwecke, darzulegen, welche Bedeutung dem Prineip der elementaren Eigenschaften in kritischer Himsicht zukommt. Erst nach allen diesen Vorbereitungen scheint es gestattet, der Frage nach der Anwendung der Bastardlehre auf die Lehre von dem Artbegriff näher zu treten.

Schliesslich habe ich mich, bei der Wahl der vorzuführenden Versuche, sowohl aus der Literatur als auch aus meinen eigenen Culturen, soviel wie möglich leiten lassen von dem, in WıcHURrA’Ss schöner Weidenarbeit niedergelegten Satze, misstrauisch zu sein segen alle von der gewöhnlichen Regel abweichenden Re- sultate eines Experimentes. Denn ich bin fest überzeugt, dass nur eine Sichtung nach diesem Princip aus dem Chaos der sich widersprechenden Meinungen einmal eine reine und schöne Wissen- schaft wird aufbauen können.

Erster Abschnitt.

Die elementaren Eigenschaften in der Bastardlehre.

I. Die einfachen Bastarde erster Generation.

$1. Mischlinge und Blendlinge.

Die Bastardlehre oder Hybridologie steht nicht ausschliesslich im Dienste der Systematik. Sie bildet neben der physikalisch- chemischen Physiologie und der eigentlichen Befruchtungslehre eine völlig selbstständige und gleichberechtigte Abtheilung der biologischen Wissenschaften. Sie hat zu mehreren anderen Disciplinen gleich enge Beziehungen. KÖLREUTER stellte bekanntlich seine Kreuzungen an, um den ersten exacten Beweis für die Sexualität der Pflanzen zu liefern, und noch heute beruht ein sehr wesentlicher Theil unserer Einsicht in den normalen Befruchtungsvorgang und seine Folgen auf den Er- gebnissen der Bastardirungsversuche. Der Systematiker sucht in der Hybridologie nach Bausteinen für den Artbegriff, der Landwirth und namentlich der Gärtner betreiben die angewandte Bastardlehre in grossem Maassstab, und zum Theil mit wichtigen Ergebnissen auch für die theoretische Wissenschatt.

Soll die Bastardlehre sich als selbstständiges Forschungsgebiet weiter entwickeln,! und soll sie wirklich eine sichere Stütze für andere

! Die Literatur über Bastarde findet man, mit Ausnahme der Arbeiten aus den letzten Jahren, zusammengestellt in: W. O. Focke, Die Pflanzenmischlinge. 1881. L. H. BaıLey, Cross-breeding and Hwybridizing. Rural Library Series. New York 1892. Bibliography S. 26—44. MıcnH. ABBaDo, L’ibridismo nei vegetali. Nuovo Giornale bot. Ital. N.S. Vol. V. 1898. Literaturliste S. 63— 70. Ferner verweise ich in Bezug auf die in der Einleitung erwähnten Citate auf: HıtDEBRAND, Ueber einige Pflanzenbastardirungen. Jen. Zeitschr. 1889. S. 545. ABBapo, 1. c. S. 30, Focke, 1. c. S. 445.

I) Die einfachen Bastarde erster Generation.

Wissenschaften und namentlich für die Systematik werden, so ist es offenbar erforderlich, dass sie sich von den conventionellen Begriffs- bestimmungen dieser Disciplinen möglichst fern halte. Die Kritik dieser Begriffe ist eins ihrer Ziele, demnach darf sie auf ihnen sich nicht aufbauen. Neben dem Studium der Mutationen selbst enthält die Bastardlehre wohl das einzige Mittel auf experimentellem Wege entscheidende Thatsachen über die systematischen Einheiten an’s Licht zu bringen. Daher hat sie diese Einheiten aufzusuchen ohne jede vorgefasste Meinung, ohne jede im Voraus festgestellte Ein- theilung der Organismen in grössere und kleinere Gruppen. Die Thatsache, dass die verschiedenen Organismen in ungleichen Graden mit einander verwandt sind, muss ihr genügen; wie gross diese Grade in den einzelnen Fällen sind, und wie sie sich zu einander verhalten, hat sie aus ihren Versuchen abzuleiten. Sie darf dabei nicht an vorgefasste Meinungen oder aprioristische Regeln gebunden sein. Was Art ist und was Varietät, ist in der Bastardlehre die Frage, zu deren Beantwortung noch viel Material wird angehäuft werden müssen. Die Systematik kann nicht auf diese Antwort warten, sie behilft sich mit vorläufigen Bestimmungen, welche fortwährend wech- seln, indem sie sich dem Fortschritte der Wissenschaft unaufhörlich anzupassen versuchen. Aber die Thatsache dieses Wechsels ist für den Hybridologen wichtiger, als die zeitweise Entscheidung, welche gerade in dem Augenblicke seiner Versuche die herrschende ist.

Chu. Nauvın, Annales des Sc. nat. 6. Serie T. II. 1875. 8.73.

J M. MacrARLAnE, A comparison of the minute structure of plant hybrids with that of their parents and its bearing on biological problems. 'Transact. Roy. Soc. Edinburgh. Vol. 37. No. 14. S. 272.

W. Bateson, Hybridisation as a method of scientific investigation. Journ. Roy. Hortie. Soc. Vol. 24. April 1900. S. 66.

C. v. Näserı, Botanische Mittheilungen. Sitzber. der Münch. Akad. Wiss. 13. Jan. 1866. S. 123.

Warnung 0g JoHANNsEn, Den almindelige Botanik. 2. Aufl. 1901. 8. 676.

Max Wıcnura, Die Bastardbefruchtung im Pflanzenreich, erläutert an den Bastarden der Weiden. 1865. 8. 53.

MEnper’s Spaltungsgesetze sind bis auf meine ersten vorläufigen Mittheilungen über diesen Gegenstand (Comptes rendus, März 1900 und Ber. d. d. bot. Ges., XVII, S. 83) in der Literatur unberücksichtigt geblieben. Die im Text zu gebende Darstellung bezieht sich daher auf die diesen Publikationen voran- gegangene Periode.

Eine Zusammenstellung namentlich der neueren Literatur findet man in dem Sammelreferat von ©. Correns in den Ber. d. d. bot. Ges. Bd. XIX. 1901. Generalversammlungsheft, S. 92—94. Die seitdem erschienenen Abhandlungen auf diesem Gebiete konnten bei der Bearbeitung des Textes des vorliegenden Bandes nur theilweise und nachträglich berücksichtigt werden.

Mischlinge und Blendlinge. 8)

Wer im einer bestimmten Gattung Bastardirungsversuche macht, kann den Werth seiner Experimente nicht davon abhängig machen, ob andere dieselbe Gruppe in mehrere Gattungen spalten, und ob sie darin zehn oder hundert „Arten“ unterscheiden.

Daher betrachte ich auch das Streben, zwischen Bastarden als Hybriden von Arten und Blendlingen als Varietätsmischlingen einen Unterschied zu machen, als durchaus verfehlt. Nichts ist nach KERNER bedenklicher, als der Zirkelgang der Folgerungen, zu welchen diese Trennung nur zu leicht verführt.’ FockE erhebt in seinem vorzüg- lichen Werke über die Pflanzenmischlinge diesen Unterschied zu einem Lehrsatz, und fasst die Bastarde und Blendlinge als Mischlinge zusammen. Und bei seiner systematischen Behandlungsweise mag solches einen Vortheil haben. Sobald es aber auf die Erforschung der all- gemeinen Gesetze ankommt, sollte man die Trennung fallen lassen. ?

In historischer Hinsicht ist diese Auffassung auch keineswegs richtig. Bei den ältesten und bei den besten unter den neueren Ex- perimentatoren ist Bastard oder Hybride der allgemeine Begrift, und bilden die Blendlinge davon eine Unterabtheilung. Bereits KÖLREUTER spricht von Bastardvarietäten, wenn er die Bastarde zweier Varietäten meint (z. B. bei Datura Stramonium und Tatula),” und Sachs unter- scheidet zwischen Varietätenbastard, Speciesbastard und Gattungs- bastard.* Unter den älteren Forschern nenne ich SAGErErT und Lecog, unter den neueren WEBBER als Anhänger dieser Auffassung. Wesmaeun hebt in einer ausführlichen Erörterung über den Art- begriff hervor, dass es zwar sehr wünschenswerth wäre, zwischen Blendlingen® und Hybriden zu unterscheiden, dass solches aber all- gemein nicht gethan wird.* Dazu kommt, dass die Gärtner sich ge-

ı A. Kerner von Marıraun, Das Pflanzenleben. Il. S. 569. Zu einem ähn- lichen gefährlichen Zirkelgang führen die spontanen Bastarde, bei denen man aus den Eigenschaften auf die Eltern schliesst, und dann daraus auf die Gesetze, welche die Verbindung der elterlichen Eigenschaften im Bastard beherrschen.

? In der älteren botanischen Literatur ist das Wort Mischlinge gleich- bedeutend mit Bastarden, und so soll es auch im Folgenden benutzt werden.

3 Zweyte Fortsetzung der vorläufigen Nachricht von einigen das Geschlecht der Pflanzen betreffenden Versuchen. Leipzig 1764. S. 125.

* J. von Sacus, Lehrbuch der Botanik. 4. Aufl. S. 888.

5 Als etymologisches Curiosum mag hier angeführt werden, dass Blendlinge jene Mischlinge sind, bei denen die Eigenschaften entweder nicht oder doch am wenigsten „blenden“, während diese völlige Vermischung der Merkmale um so unzweideutiger zu sein pflegt, je weniger die Eltern verwandt, je bessere „Bastarde“ sie also sind.

6 A. Wesmaeı, La fecondation au point de vue des croisements et des hybri- dations. Gand 1863. 8. 32—33.

10 Die einfachen Bastarde erster Generation.

wöhnlich des Wortes Hybride in dem weiteren Sinne bedienen, während die Bezeichnung Blendling von ihnen nur in ganz besonderen Fällen benutzt wird. Es wäre ja auch allzu unbequem, diese Unterschei- dung durchzuführen, so lange es jedem Systematiker frei steht, Arten zu grösseren Arten zu verbinden oder umgekehrt Unterarten zu Arten zu erheben. Denn damit würden jedesmal die betreffenden Bastarde Blendlinge und die Blendlinge Bastarde werden.

Ich werde somit im Anschluss an die genannten Autoritäten das Wort Bastarde oder Hybriden in seiner allgemeinen Bedeutung be- nutzen. „Mischlinge“ hat dann denselben Sinn. Die Bezeichnung „Blendlinge“ benutze ich nur bei Formen, welche so allgemein als Varietäten aufgefasst werden, dass eine Verwechslung gar nicht zu befürchten ist.!

Die Bezeichnungen weitere und engere Verwandtschaft sind von den zur Zeit gerade herrschenden Artgrenzen unabhängig, und dürften einstweilen genügen. Nähere Angaben sollen stets nur so verstanden werden, dass sie zur rascheren Örientirung im Anschluss an die herrschenden Vorstellungen bestimmt sind. Den wirklichen Grad der Verwandtschaft zweier Formen kann man ja nur abschätzen, so lange nicht gerade Kreuzungsversuche eme sichere Entscheidung bringen.

Noch einen weiteren Punkt möchte ich hier betonen. Es scheint mir im höchsten Grade wichtig, die rein wissenschaftlichen Versuche über Bastardirungen den Studien an Gartenbastarden und spontanen Hybriden gegenüber in den Vordergrund zu stellen. Die grösste Schwierigkeit auf diesem ganzen Gebiete liegt wohl darin, dass man den Eltern zu wenig Aufmerksamkeit zu widmen pflegt. Man untersucht die Bastarde genau, macht es sich aber mit den Eltern meist viel bequemer. Aber es leuchtet ein, dass auch ihre Eigenschaften genau studirt werden sollten, und dass dieses Studium für die Kenntniss der verwandtschaftlichen Beziehungen der Bastarde zu den Eltern von gleich hoher Bedeutung ist. Die Varia- bilität der Eltern wurde bis jetzt viel zu wenig berücksichtigt, sowohl die eigentliche fluktuirende Variabilität als die systematische Poly- ! Die Bastarde bezeichne ich als axb, d.h. a befruchtet durch 5, wobei also a die Mutter und b der Vater ist. Auch in dieser Beziehung herrscht viel Verwirrung, namentlich weil der Congress von 1567 in Paris in entgegengesetztem Sinne beschlossen hat. Jedoch wurde diese Bestimmung bereits von DE CANDOLLE zurückgewiesen. Vergl. auch die neueste Auflage des Lehrbuches von WArmınG und Jonannsen: Den almindelige Botanik. Aufl. 1901. S. 677. Bei spontanen Bastarden oder solchen, deren Eltern man nicht aus einem Versuchsprotokolle kennt, ist es vorzuziehen, nicht ax b, sondern a+b oder a-b zu schreiben, oder die Namen zu combiniren, wie z. B. in Salixz auritopurpurea.

Die Eigenschaften der Bastarde sind auf diejenigen der Eltern beschränkt. 11

morphie oder der Reichthum an constanten Varietäten. (Vergl. den ersten Band, S. 33.) Erstere geht wohl selbstverständlich auf die Bastarde über, und in Bezug auf die letztere werden wir später ein- gehend die Gewohnheit der Gärtner besprechen, möglichst viele Varie- täten einer Art zu derselben Kreuzung zu verwerthen, um dadurch sofort „sehr variable“, d. h. formenreiche Bastardgenerationen zu erlangen.

Neben dieser schwachen Seite der bisherigen Bastardlehre möchte ich noch auf eine sehr gefährliche, mir aus eigener Erfahrung leider zu gut bekannte Fehlerquelle hinweisen. Sie ist diese, dass man, ohne es zu wissen, zu einer Bastardirung nicht reine Arten, sondern einen Bastard nimmt. Denn in sehr vielen Fällen kann man es einer Pflanze nicht ansehen, ob sie Bastard ist oder sortenrein. Die Folgen können aber offenbar ganz andere sein. Und wenn ein Ver- such, wie es ja so oft vorkommt, bei der Wiederholung nicht das- selbe Resultat giebt, wie früher, so schemt mir die Möglichkeit, dass im einen oder im anderen Falle mit einem Bastard statt mit einer reinen Pflanze operirt wurde, in den meisten Fällen die nächst- liegende zu sein. Viele auffallende Ausnahmen von den gewöhnlichen Regeln werden voraussichtlich in dieser Weise einmal ihre einfache Erklärung finden.

Ich werde mich daher bemühen diese „Bastarde von Bastar- den“, diese mehrfachen oder abgeleiteten Bastarde möglichst aus meiner Behandlung auszuscheiden, und in einem besonderen Kapitel für sich zu behandeln. Aber die Angaben der Verfasser reichen dazu bei Weitem nicht immer aus, und beim jetzigen Stande der Wissenschaft ist man wohl gezwungen, über manches Fragezeichen hinweg zu gehen.

S 2. Die Eigenschaften der Bastarde sind auf diejenigen der Eltern beschränkt.

Eine vielfach ventilirte und sehr beliebte Frage ist diejenige nach der Erhöhung der Variabilität durch künstliche Bastardirungen. In der Praxis ist diese Erhöhung das gewöhnliche Ziel der Operationen, und manche Gartenpflanze, welche früher ganz starr und einförmig war, hat erst angefangen sich den Bedürfnissen des Gärtners zu fügen, nachdem sie mit einer verwandten Art gekreuzt wurde. Aber Variabilität ist ja ein vieldeutiger Begriff, und für eine wissenschaft- liche Einsicht ist stets eime Analyse, oder doch eine Beschränkung auf diesem (Grebiete erforderlich.

12 Die einfachen Bastarde erster (Generation.

Die höchst varıabelen Bastardrassen des Gartenbaues sind stets durch wiederholte, und oft durch vielfach wiederholte Kreuzungen erzielt worden und verdanken wohl gerade diesem Umstande ihren erstaunlichen Reichthum an Formen. Auf sie ist die allgemeine Ueberzeugung gegründet, dass Kreuzung die Variabilität erhöhe, aber ob diese Verallgemeinerung auch auf die einfachen Hybriden an- gewandt werden darf, scheint sehr fraglich.

Offenbar ist es aber eine ganz andere Frage, ob Bastarde im Stande sind, einfach durch die Operation der Kreuzung Eigenschaften hervorzubringen, welche ausserhalb des Formenkreises ihrer Eltern liegen. Dass durch wiederholte Kreuzungen fast alle denkbaren Ver- bindungen der elterlichen Merkmale erhalten werden können, dürfte keinem Zweifel unterliegen. Aber darauf ist auch, nach der Ueber- zeugung der erfahrendsten Praktiker, denen ich diese Frage persönlich vorgelegt habe, ihre Variabilität beschränkt. Die Gattungen Amaryllis (DE GRAAFF), Begonia (VERLOT), die berühmten Versuche von NAUDIN mit Zinaria und vielen anderen Pflanzen, und eine Reihe weiterer Beispiele könnten als Belege für diesen Satz angeführt werden. Ebenso die Culturen von ALFRED BrLEu mit Caladium-Bastarden, welche bei dreissigjähriger Fortsetzung nur zwei unten zu erwähnende, scheinbare Ausnahmefälle boten. Auch GÄRTNER und WIcHUrA sind derselben Ansicht, und bei den Handelsgärtnern gilt sie als die all- gemeine Regel bei der Wahl der zu Kreuzungen zu verwendenden Sorten.

Wirklich neue Eigenschaften erzeugt die Kreuzung nicht. «

Allerdings giebt es scheinbare Ausnahmen von dieser Regel, in denen die Hybriden den Formenkreis ihrer Eltern überschreiten, aber bei genauerer Betrachtung sprechen diese nicht gegen die Regel, sondern sind sie eher mehr oder weniger deutliche Be- stätigungen. Die wichtigsten Fälle mögen somit hier zusammen- gestellt werden.

Eine erste sehr bekannte Ausnahme bildet die oft hervorgehobene excessive Kraft der Bastarde. Zwar scheinen die ziemlich wenigen Fälle, in denen diese Erscheinung beobachtet wurde, zu irgend wel- cher Verallgemeinerung keinen Grund abzugeben. Ribes Gordonianum, Berberis stenophylla und mehrere Datura-Bastarde sind bekannte Bei- spiele. Der erstere Hybride wächst überall in Anlagen und auch im hiesigen Garten äusserst viel kräftiger als seine beiden Eltern (Ribes sanguineum und R. aureum). Bei Berberis stenophylla fand Hurst, dass die grosse Ueppigkeit des Wuchses eine rein individuelle Erscheinung

Die Eigenschaften der Bastarde sind auf diejenigen der Eltern beschränkt. 13

ist, welche sich in den Nachkommen nicht wiederholt." Datura (NauDın), Melonen (SAGERET), Erbsen, Weizen, Pinus, Quercus, Ulmus, Alnus (Krorzsch), Aepfel (KnıcHr), Kohl (Wıecmans) und viele andere Gattungen bieten Fälle von erstaunlichem Wuchs der Mischlinge. Darwıy hat von diesen und zahlreichen anderen Bastarden eine aus- führliche Zusammenstellung gegeben; alle Experimentatoren waren, sagt er, von der wunderbaren Kraft, Höhe, Grösse, Lebensfähigkeit, früher Reife und Widerstandsfähigkeit ihrer Bastardproducte über- rascht.? Bekannt ist KÖLREUTER’s Ansicht, der hierin eine gewisse Compensation gegenüber der Sterilität der Hybriden suchte, und die Erwiderung GÄrTNeEr’s, dass die grössere Ueppigkeit bisweilen auch an ganz fruchtbaren Bastarden (z. B. Datura) gefunden werde.

Alle diese Beispiele sind aber doch nur als Ausnahmen zu be- trachten von der Regel, dass die Bastarde auch in ihrem Wuchs? zwischen den Eltern stehen. Die Bastarde der Weiden waren nur in einem einzelnen Falle in Wıckura’s ausführlichen Untersuchungen kräftiger als die Eltern? und die zahlreichen spontanen Weiden- Bastarde, die ich selbst beobachtet habe, zeigten in ihrem Wuchse nichts Auffallendes. Viele weitere Beispiele könnte man anführen,* aber die Autoren heben in der Regel die fraglichen Punkte nur dann hervor, wenn der Wuchs ihnen besonders aufgefallen ist; war er ein normaler, so. wird darüber nichts erwähnt. Ein grosser Factor dürfte hier die Methode der Cultur sein. Bekanntlich zog GÄRTNER die zu kreuzenden Pflanzen in Töpfen, da er die Operation selbst im Zimmer vornahm; er hatte also durchgehends die Elternarten in schwachen Exemplaren, während er andererseits den Bastarden alle mögliche Sorgfalt angedeihen liess. Dieser Einwand ist bereits von NÄgeuı hervorgehoben worden. In meinen eigenen Öulturen fanden die Kreuzungen nie im Zimmer oder im Glashause statt, sondern immer im Garten, und nur in einzelnen besonderen Fällen zog ich meine Pflanzen dazu im Töpfen. In weitaus den meisten Versuchen wuchsen sie frei im Garten, unter genau denselben Bedingungen in

1 C.C. Hurst, Journ. Roy. Hort. Society. Vol.XXIV. April 1900. S.124—125.

2 Darwın, Das Variüren der Pflanzen und Thiere. Bd. U. 1868. S. 174.

3 Max Wiıcnura, Die Bastarderzeugung im Pflanzenreich. S. 31, 41 u. s. w. „Wirklich auffallend erschien mir nur das schnelle, üppige, übermässig wuchernde Wachsthum des sechsfachen, aus S. viminalis, purpurea, Lapponum, Silesiaca, caprea, daphnoides zusammengesetzten Bastardes.‘

* So sagt z.B. Goprox: „Les hybrides entre especes de Digitalis, de Pri- meveres ete., n’ont pas une stature plus Elevee que leurs parents, et commencent leur floraison en m&me temps.“ Memoires del’ Academie de Stanislas. 1862. S. 233.

14 Die einfachen Bastarde erster Generation.

Bezug auf Besonnung, Raum, Boden, Düngung, Bewässerung u. s. w. als ihre Nachkommen, und mit Ausnahme von Datura und einigen nicht ganz sicheren Fällen ist mir der Wuchs der Bastarde nie be- sonders aufgefallen.

Man hat oft behauptet, dass enge Verwandtschaft der Eltern eine Bedingung für das Luxurüren der Bastarde sei, und in manchen (Gattungen giebt diese Regel den Thatbestand genau wieder. So z.B. in PETER's Untersuchungen! über die Piloselloiden-Bastarde. Aber das völlig sterile Ribes Gordonianum, der Bastard zwischen R. sangui- neum und R. aureum besitzt Eltern mit so geringer Verwandtschaft, dass eine Wiederholung der Kreuzung bis jetzt nicht gelungen ist, und wird dennoch wohl von keinem anderen Mischling an Ueppigkeit des Wuchses übertroffen. Und sehr viele Varietäten-Bastarde luxu- riiren gar nicht. Hurst macht darauf aufmerksam, dass die Eltern von Gartenbastarden ott seltene Formen sind, welche durch die Art der Cultur, durch jahrelange vegetative Vermehrung oder Inzucht geschwächt sind, und dass in solchen Fällen eine Verbindung von Arten denselben günstigen Effect haben könnte, den Darwın für die Kreuzung von Individuen derselben Varietät, aber verschiedener Her- kunft beschreibt.?

Den üppigen Bastarden gegenüber stehen die bei Weitem häufigeren Fälle, in denen die Hybriden individuell so schwach waren, dass sie nur mit der besten Pflege gross gebracht werden konnten, oder sogar regelmässig in der Jugend zu Grunde gingen. Von diesen bis zu den Bastardkeimen, welche es nie zu reifen Samen bringen, giebt es eine ganze Reihe von Uebergängen. Im Allgemeinen dürfte die Ent- wickelung um so kümmerlicher sein, je geringer die Verwandtschaft der Eltern, doch ist es selbstverständlich, dass es hier vielfache Ausnahmen geben muss, wenigstens so lange man den Grad der Verwandtschaft nicht besser beurtheilen kann, als beim jetzigen Stande der Wissenschaft.

Die grössere Ueppigkeit mancher Bastarde wird aber von keinem Forscher als eine besondere, neue Eigenschaft betrachtet. Vielmehr sind Alle der Ansicht, dass ihre Erklärung sich früher oder später aus der Art der Verbindung der elterlichen Eigenschaften ergeben wird. Und dasselbe gilt von denjenigen Fällen, in denen sonst die fluctuirende Variabilität diejenige der Eltern überschreitet. Beispiele dazu geben namentlich einige Hieracium-Bastarde aus der Section

! A. Peter. Ueber spontane und künstliche Gartenbastarde der Gattung Hieracium sect. Piloselloidea. Esser, Botan. Jahrbücher V. S.203 und 226.

® Hvrst, ]l.c. S. 124. Darwın, Cross- and Selffertilisation of plants. Be- kannt ist Darwın’s Ausspruch „A single cross restores the pristine vigour“.

Die Eigenschaften der Bastarde sind auf diejenigen der Eltern beschränkt. 15

Pilosella.. PETER nennt sie „überschreitende Merkmale“! und führt eine Reihe von Fällen an. Manche von ihnen treten nur in den Ver- hältnissen der Grösse und der Zahl hervor, indem die betreffenden Organe grösser oder zahlreicher sind als bei beiden Eltern, aber von dieser Veränderung werden nur solche Merkmale berührt, welche in geringerem Grade auch durch Ernährung und Standort modificirt werden können, namentlich Blattgrösse, Stengelhöhe, Stolonenlänge, Reichthum der Verzweigung, also wohl dieselben Erscheinungen, welche auch sonst bei Bastarden das üppigere Wachsthum zusammensetzen. Die Eltern solcher luxurirenden Hieracium-Bastarde sind fast stets sehr enge verwandt, während eine von beiden eine vegetativ sehr kräftige Form ist; sehr selten verhält es sich umgekehrt und sind die Eltern fernstehende Formen von sehr complieirter Abstammungs- formel. Aber auch in constanteren Merkmalen können die Hieracium- Bastarde die Grenzen ihrer Eltern überschreiten; dann sind aber die Ueberschreitungen meist geringe, wenn auch bisweilen sehr bezeich- nende (z. B. H. tardansx und H. thaumasium x). Sie betreffen längere Behaarung, stärkere oder geringere Beflockung, Auftreten von Stengel- blattdrüsen, dunklere Farbe der Bracteen, bedeutendere Kopfgrösse und veränderte Blattform, und stellen, sofern sie ausserhalb des Ge- bietes der fluctuirenden Variabilität liegen, Merkmale vor, welche in der Reihe der Ahnen der jetzt lebenden Piloselloiden schon vielfach vorgekommen sein mögen. Sie gehören also zu den Erscheinungen des Atavismus, welche ich erst in einem späteren Paragraphen dieses Abschnittes behandeln werde.

Ausser PETER’s schönen und sehr eingehenden Untersuchungen liegen nur wenige zuverlässige Angaben über Grenzüberschreitungen vor.?2 Sehr häufig gilt aber von den vorliegenden Beobachtungen der Ausspruch von MACFARLANE, dass eine genauere Kenntniss der Eltern die erste Bedingung für die Beurtheilung der Variabilität der Bastarde sei.?

Wirklich neue Eigenschaften treten an Bastarden höchst selten auf. Sie sind hier wohl eben so spärlich wie bei nichtgekreuzten Arten. Und dass unter den zahllosen Bastarden der Gartencultur einzelne Male neue Varietäten entstanden sind, kann nicht Wunder nehmen. Doch findet man sehr wenige gut beglaubigte Fälle. So theilt HiLDEBRAND mit, dass unter seinen zahlreichen Bastarden in der Gattung Oxalis einmal eine weisse Varietät aus violetten Eltern

1 2.a.0. S. 225.

? Einige weitere Beispiele sind von Kerner, im Pflanzenleben II. S. 565 zu- sammengestellt.

® Transactions. Roy. Soc. Edinburgh. 1892. 8. 205.

16 Die einfachen Bastarde erster Generation.

hervorgegangen ist. Die Eltern waren Oxalis hirta und O. canescens, die erstere dunkel-, die letztere purpurviolett. Diese Kreuzung giebt in der Regel leuchtend rothe, also überschreitende Producte.' Und ‚der erfahrene Züchter der Caladium-Bastarde, ALFRED BLEU in Paris, theilte mir bei meinem Besuche in seinen Gewächshäusern mit, dass in den dreissig Jahren seiner mit einer stattlichen Reihe von Arten in dieser Gattung angestellten Versuche keine anderen neuen Eigen- schaften aufgetreten wären, als bunte und krausige Blätter, und auch diese nur sehr vereinzelt. Offenbar sind solche spontane Abänderungen keine Folgen der Kreuzungen, sondern nur solche, die auch ohne Kreuzungen, bei umfangreichen und wiederholten Aussaaten vorzu- kommen pflegen.

Sehr verbreitet ist auch die Meinung, dass Bastarde eine be- sondere Neigung haben würden, Monstrositäten hervorzubringen. Seit- dem aber in dem letzten Jahrzehnt der Beweis geführt worden ist, dass auch diese anscheinend zufälligen Erscheinungen erblich sind und als Aeusserungen latenter oder semilatenter Anlagen betrachtet werden müssen,? bedarf der Thatbestand der an Bastarden beobachteten Anomalien offenbar eine Revision. Die Frage, ob die betreffenden Anlagen vielleicht von den Eltern ererbt waren, ist offenbar eine völlig berechtigte, aber leider kann die Entscheidung in den vorhandenen Literaturangaben meist nicht gefunden werden, und ist eine Wieder- holung der Versuche das einzige Mittel, dazu zu gelangen. Dieser Weg ist aber offenbar ein sehr zeitraubender.

Ein Beispiel aus Gärrxer’s Versuchen möge zunächst angeführt werden. Er betont wiederholt (z. B. a. a. OÖ. S. 342 und S. 351), dass Lychnis vespertina X diurna oft 6 Griffel habe statt 5. Aber auch die Eltern zeigen die nämliche Abweichung, wenn auch seltener. Ich habe eine verwandte Kreuzung ausgeführt, indem ich Lyehnis vespertina glabra mit L. diurna befruchtete. Die Bastarde zeigten dieselbe Anomalie in der Anzahl der Griffel, aber bei der L. vespertina glabra fand ich diese bei genauer Inspection eines ziemlich grossen Beetes in gleichem Umfange zurück; es gab sogar einzelne Blüthen mit 7 Grifteln. In diesem Falle kann es also keinem Zweifel unterliegen, dass die Ano- malie einfach von den Eltern oder von einem der Eltern ererbt wurde. Aehnlich dürfte es sich in den übrigen Fällen verhalten.

Im ersten Bande wurde bereits darauf hingewiesen, dass monströse

! HıLvEsrann, Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaften. Bd. 23. 1889. S. 544. ? Vergl. die im ersten Bande $. 339 eitirte Literatur.

Die Eigenschaften der Bastarde sind auf diejenigen der Eltern beschränkt. 17

Abweichungen in Bastardrassen, wenn auch nicht gerade häufiger, doch auch keineswegs seltener vorkommen als bei reinen Arten (Bd. I, S. 336—351). Bei den zahlreichen Culturen von Hybriden in der Gattung Oenothera fand ich diese Regel stets bestätigt. Einige Monstrositäten traten in den Bastardeulturen, andere in den reinen Arten etwas häufiger auf, doch muss solches offenbar dem Zufall zugeschrieben werden, und würde es sich bei fortgesetzter Cultur wohl anders verhalten. In mehreren Bastardrassen traten, wenn auch sehr selten, z. B. zweizählige Blüthen (Fig. 1) auf, so namentlich in der später ausführlich zu behandelnden aus Oenothera Lamarckiana x 0. eruciata varia.'

KÖLREUTER erhielt aus der Kreuzung von Digitalis lutea und D. obsceura eine mon- ströse Pflanze. MOoRREN fand an einem künstlichen Bastarde von Calceolaria plan- taginea pelorische Blüthen.? Brassica Napus x B. Rapa bildet häufig -Wurzelknospen. Begonia phyllomaniaca (= B. manicata + in- carnata) führt ihren Namen wegen der zahlreichen Adventivknospen auf dem Stamme, und eine ähnliche Anomalie soll auch B. prolifera (B. manicata + B. coceinea) zeigen.” Unter den Bastardweiden kommen nicht selten Individuen vor, welche herma-

hroditische Blüthen tragen, indem die n le 2 Carpelle theilweise in Staubfäden, oder en De die letzteren theilweise in Carpelle um- u ER Be gebildet sind, und zwar m allen Ab- des entstanden. stufungen dieser merkwürdigen, auch in

hiesiger Gegend nicht seltenen, und von mir seit vielen Jahren im botanischen Garten zu Amsterdam cultivirten Anomalie (Fig. 2). Nach WiıcHurA und KERNER ist diese Monstrosität fast ausschliesslich auf Bastarde beschränkt und bei den reinen Weidenarten äusserst selten. Sie ist wohl offenbar ererbt, aber in ihren Aeusserungen in den

! Ueber eine dreizählige Blüthe von O, biennis, von Weısse beschrieben, vergl. Bd. I, S. 347,

* Pryrırscn, Zur Aetiologie pelorischer Blüthenbildungen. Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. Wien, 1. März 1877. $. 113, Noten 4, 5 und 6.

® M. W, Beyeriscr, Beobachtungen und Betrachtungen über Wurzelknospen und Nebenwurzeln. Verh. K. Ned. Akad. v. Wet. 1886. $. 115—119.

DE VRIES, Mutation. II. 2

13 Die einfachen Bastarde erster Generation.

Bastarden gefördert. Aehnlich dürfte es sich mit den gefüllten Blumen verhalten, welche nach GÄRTNER, ÜARRIERE und vielen anderen Autoren vorzugsweise bei Bastarden auftreten; auch hier wird wohl stets die Anlage, welche sich ja häufig nur im einzelnen Blüthen durch die Umbildung einzelner Staubfäden in ganz schmalen petaloi- den Organen äussert, einfach in den Eltern übersehen worden sein.

Ich habe im diesem Paragraphen einige der wichtigsten Beispiele zu- sammengestellt, welche ich, abgesehen vom Atavismus, in der Literatur als Stützen für die Meinung habe autf- finden können, dass bisweilen bei Kreu- zungen neue, im den Eltern auch Fig. 2. BEE EN nicht als Anlagen vorhandene Eigen- Fruchtknoten, in derenoberenHälften schaften auftreten.! Sie sprechen im

man die offene Spalte sieht und wel- A]loemeinen meiner Ansicht nach che seitlich 1—2 Antheren tragen. >

Am Fuss das Deckblatt und dieDrüse. für die entgegengesetzte Meinung. Nach einem lebenden Exemplar des Jassen sich auch einzelne Fälle, ohne botanischen Gartens in Amsterdam, : i : April 1900. weitere eingehende Untersuchung, bis jetzt nicht aufklären, so fehlt ihnen doch die genaue Kenntniss der Eltern, welche allein zu einem Schlusse berechtigen würde. „Der Glaube,“ sagt Darwıs, „dass Charaktere, welche in keinem von den beiden Erzeugern oder in deren Vorfahren vorhanden waren, häufig aus einer Kreuzung ihren Ursprung nehmen, ist zweifelhaft“,2 und meiner Meinung nach kann man es jetzt auch als sehr unwahrschemlich hinstellen, .dass sie gelegentlich oder doch öfter als bei reinen Befruchtungen so entstehen würden. ‚Jedenfalls liegen keine Thatsachen vor, für welche nicht eine andere Erklärung die wahrscheinlichere wäre.

$ 3. Intermediäre, goneokline und einseitige Bastarde.

Bis auf die allerletzten Jahre haben die Forscher bei ihrem Studium gewöhnlich solche Bastarde in den Vordergrund gestellt, deren Eltern in einer ganzen Reihe von Differenzpunkten von ein-

ı Weitere diesbezügliche Zusammenstellungen hat namentlich in der letzteren Zeit E. Tscuermax gegeben in seinen Beiträgen über Verschiedenwerthigkeit der Merkmale bei Kreuzung von Erbsen und Bohnen, Zeitschr. f. d. landw. Versuchs- wesen in Oesterreich 1901. Vergl. namentlich S. 90—95.

? Darwın, Animals and plants under domestication. 2. Aufl. 1875. II. S.77. (8.131 der deutschen Ausgabe 1868.)

Intermediäre, goneokline und einseitige Bastarde. 19

ander unterschieden waren. Wir haben also die Frage in’s Auge zu fassen, in wie weit in solchen complicirten Fällen sich das Princip der elementaren Eigenschaften anwenden lässt. Durchführen lässt es sich hier allerdings nicht; dazu sind selbstverständlich neue Experimente erforderlich, bei denen dieser Zweck besonders beachtet wird. Doch wird ein kritisches Studium uns lehren, dass die Eigen- thümlichkeiten der Hybriden keineswegs aus einer einfachen Ver- mischung der Elterntypen zu erklären sind, sondern dass gar häufig die verschiedenen Eigenschaften an dem Bilde des Bastardes sich in verschiedener, oft in geradezu entgegengesetzter Weise betheiligen. Müssen wir also auch vorläufig auf eine genaue Analyse verzichten, so wollen wir doch versuchen dem Beweise des Satzes, dass den äusseren Merkmalen auch hier bestimmte innere Einheiten zu Grunde liegen, möglichst nahe zu kommen.

In Bezug auf ihre sichtbaren Eigenschaften werden Bastarde ganz allgemein als Mittelbildungen zwischen ihren Eltern bezeichnet. Richtiger wäre es allerdings, sie Zwischenbildungen zu nennen, denn der Ausdruck Mittelbildung erweckt nur zu leicht die Meinung, dass die Hybriden in allen Punkten mehr oder weniger genau die Mitte zwischen den Eltern hielten. Dem ist aber nicht so. Dabei sind zwei Methoden der Behandlung zu unterscheiden. Denn erstens kann man den Bastard als ein Ganzes betrachten, und als solches kann er häufig mehr dem einen als dem anderen seiner Eltern gleichen. 7/weitens aber kann man die Kennzeichen der Bastarde je einzeln in Betracht ziehen und aus diesen das Mittel berechnen. Viele Bastarde gleichen in einigen Punkten dem Vater, in anderen der Mutter, und es kann vorkommen, dass diese beiden Richtungen ein- ander das Gleichgewicht halten und die Summe also der Mitte zwischen den Eltern entspricht.

In diesen letzteren Fällen scheint es mir aber klar, dass die Analyse wichtiger ist als die Zusammenfassung. So lange die ein- zelnen Merkmale sich gleich verhalten, entweder mittlere sind, oder in demselben Sinne vom Mittel abweichen, kann man damit zufrieden sein, sie einstweilen nur als Ganzes zu behandeln. Sobald sie aber sich getrennt verhalten, nach verschiedenen Richtungen oder ın un- gleichem Maasse abweichen, scheint es mir unabweislich, sie als die Factoren zu betrachten, welche einzeln dem Studium zu unterwerfen sind. Für jeden Factor wäre zu erforschen, wie er sich verhält, und weshalb er sich so und nicht anders an den Erscheinungen betheiligt, und womöglich wären in verschiedenen Kreuzungen die nämlichen

Factoren darauf zu prüfen, ob sie denselben Gesetzen folgen. Erst DES

20 Die einfachen Bastarde erster Generation.

wenn diese Gesetze für zahlreiche solche Einheiten ermittelt wären, würde es sich lohnen, die Combination vorzunehmen, und eine Er- klärung der morphologischen Beziehungen eines solchen Bastards zu seinen Eltern aufzusuchen.

Augenblicklich herrscht auf diesem Gebiete eine äusserst un- angenehme Verwirrung, aus der es kaum möglich ist, die Hauptzüge der Erscheinungen herauszufinden. Und wenn man dieses versucht, so wird man immer mehr gezwungen, die einzelnen Eigenschaften ın den Vordergrund zu stellen, und somit die Frage, ob in einem und demselben Bastard Eigenschaften vorkommen können, welche sich einander entgegengesetzt verhalten, als Hauptzweck zu betrachten.

Die wichtigste Folgerung, welche sich aus der vorhandenen Lite- ratur ergiebt, scheint mir diese, dass die sichtbaren Eigen- schaften der Bastarde zwar in der Regel zwischen jenen der Eltern liegen, dass sie aber auf der Linie, welche diese beiden Extreme verbindet, jede beliebige Lage einnehmen können.! Ist dem so, so kann man drei Hauptgruppen unterscheiden, wobei es sich um die äusserlich sichtbaren und vorläufig wenigstens nicht um die inneren oder elementaren Eigenschaften handelt.

1. Die intermediären Bastarde, welche die Mitte zwischen beiden Eltern halten. d

2. Die goneoklinen Bastarde, welche mehr zu dem einen oder dem anderen der Eltern hinneigen.?

3. Die einseitigen Bastarde, welche den Typus eines der beiden Eltern mit Ausschluss des entgegengesetzten führen.

Diese Eintheilung macht eine Sache sofort klar. Denn die Gruppen 1 und 3 würden bei schärfster Fassung nur einen bezw. zwei Punkte auf der soeben besprochenen Verbindunsslinie vorstellen, wäh- rend die Gruppe 2 nahezu deren ganze Länge einnehmen würde. Wollte

! Wıcnura, a. a. 0. S. 51: Der Bastard ist eine zwischen den beiden Stamm- pflanzen stehende Bildung, „und darauf liegt, wie mir scheint, das Hauptgewicht, nicht darauf, ob er der einen oder der anderen der beiden Stammarten sich mehr oder weniger nähert“. Zu derselben Ansicht gelangte auch CorrEns in einer schematischen Uebersicht der hier möglichen Fälle. Vergl. Berichte d. d. bot. Ges. Bd. XIX. 1901. Generalvers.-Heft S. 78.

® „Bastarde, welche zwischen den Stammarten nicht die Mitte halten, son- dern in ihren Eigenschaften und Merkmalen der einen oder der anderen näher stehen, werden goneoklinisch (yovevs, Erzeuger; #Aivo, hinneigen) genannt.“ Solche entstehen schon bei der erstmaligen Kreuzung. Aber die Kreuzung ein- facher Bastarde mit ihren Eltern giebt auch Formen, welche zu der betreffenden Stammart mehr hinneigen, und welche man also von diesem Gesichtspunkte auch als goneoklin bezeichnen kann (Kerner, Das Pflanzenleben. II. S. 551). Im Obigen beschränke ich mich aber auf die einfachen Bastarde.

Intermediäre, goneokline und einseitige Bastarde. 21

man die Definition so scharf nehmen, so wäre die Aussicht auf genau intermediäre, oder völlig einseitige Bastarde wohl eine sehr geringe. Aber wenn man auch bei der Schätzung einen etwas grösseren Spiel- - raum lassen will, würden doch leicht die intermediären und die ein- seitigen Bastarde den goneoklinen gegenüber selten sein und sich als Ausnahmen verhalten. Dazu kommt, dass, wenn sich die Eltern in mehreren Hinsichten von einander unterscheiden, die einen Eigen- thümlichkeiten in Bastarde intermediär oder einseitig erscheinen können, während andere sich anders verhalten.

Wir stossen hier auf eine sehr grosse und von den hervor- ragendsten Forschern zu wiederholten Malen betonte Schwierigkeit.! Diese liegt in der Abschätzung der Merkmale. Nur in ganz unzwei- deutigen Fällen lässt es sich mit der erforderlichen Objectivität be- stimmen, ob ein Kennzeichen in einem Bastarde einseitig, goneoklin oder intermediär zwischen den Stammarten sei. Alles hängt davon ab, ob man die Gruppen der einseitigen und intermediären weit oder enge nimmt, und darüber kann offenbar ein jeder seine persönliche Ansicht haben. Auch lassen sich die hier in Betracht kommenden, meist feinen Unterschiede kaum genau in Worten ausdrücken, und zahlenmässige Angaben würden nur dann Werth haben, wenn sie ' nach der variationsstatistischen Methode, unter Berücksichtigung aller die fluctuirende Variabilität beeinflussenden Factoren, und auf Grund eines umfangreichen Materiales gemacht werden könnten.

Wie die Sache sich jetzt verhält, nennt der eine Forscher Vieles intermediär, was der andere zu der goneoklinen Gruppe rechnet, und ist auch die Reihe der einseitigen Bastarde für den einen eine viel grössere als für den anderen. Umgekehrt aber ist es für einen ‚Leser meist nicht möglich, aus der Angabe, dass ein Bastard das eine oder das andere sei, sich eine klare Vorstellung über sein Ver- halten zu machen.

WiıcHurA stellt die aus einander gehenden Ansichten seiner Vor- gänger und seine eigenen in so scharfer Weise zusammen, dass es sich lohnt, die betreffende Stelle hier wörtlich anzuführen.? Er eitirt zunächst die folgenden Sätze aus GÄrrtxer’s Buch:? „In Beziehung auf die Beurtheilung der Typen, ob nämlich ein Bastard mehr der Mutter, oder mehr dem Vater ähnlich sei, hat die genaue Bestimmung in manchen Fällen grosse Schwierigkeiten, indem hier sehr Vieles

! Namentlich von Näserı, Sitzungsber. d. k. bayr. Akad. d. Wiss. 15. Dee. 1865. 8. 423—431.

® Wıcuura, Die Bastardbefruchtung. S. 50.

® GÄRTNER, Bastarderzeugung im Pflanzenreich. 8. 252.

22 Die einfachen Bastarde erster (Generation.

auf die subjectire Anschauung der Beobachtung ankommt; denn wegen der öfters vorkommenden Verschmelzung beider Charaktere findet der eine Beobachter im einem Bastard den mütterlichen, ein anderer aber den väterlichen vorherrschend.“ Ferner citirt WıcHuRA aus GÄRTNER eine andere Stelle: „KÖLREUTER sieht die Nieotiana rustiea-paniculata als den Ausdruck des vollkommenen Mittels von den beiden Eltern- pflanzen an; wir (GÄRTNER) können damit nicht übereinstimmen, sondern halten den Typus derselben der N. panieulata näher als der rustica, wegen des schlanken Wuchses, der zarten Verästelung, der mehr länglichen als herzförmigen Blätter, der kleineren conisch zu- gespitzten Frucht und den bedeutend kleineren Samen als bei der N. rustiea“ Ebenso verschieden ist die Ansicht des Typus des Ver- baseum Lychniti-phoeniceum von KÖLREUTER und WIEGMANN. Diese beiden Beispiele beweisen ebenfalls, dass das Urtheil über die Form eines Bastardes in Beziehung auf seine Aehnlichkeit mit den Eltern sehr verschieden ausfallen kann, was wir schon oben bemerkt haben.!

Diesen Citaten gegenüber äussert sich nun WıcHurA selbst in der folgenden Weise: „In der That hängt hier alles von der subjec- tiven Beurtheilung ab. Möglich, dass ich mit KÖLREUTER in der Nieotiana (rustica + paniculata) das vollkommene Mittelding der Eltern- pflanzen erblicken, möglich, dass GÄRTNER in den Weidenbastarden, die ich für vollkommene Mittelbildungen halte, den überwiegenden Einfluss irgend einer typischen Species heraus erkannt haben würde: am Ende wäre der ganze Streit ein ziemlich unerheblicher.“

Unter solchen Umständen liegt es auf der Hand, dass mancher Leser aus den von einem Autor gegebenen Beschreibungen und Ab- bildungen zu anderen Folgerungen gelangt als ein anderer. Am besten ist es wohl, mit Wıc#hura die Gruppe der intermediären Bastarde ziemlich weit zu nehmen, und nur in evidenten Fällen von goneoklinen Mischlingen zu reden, aber auch dann bleibt die Grenze eine willkürliche. MacrAarLAanE betrachtet seine Bastarde stets als Mittelbildungen,? auch wenn ein Hinneigen zu einer der Stammarten in seinen Abbildungen auffällt.

Aehnliche Betrachtungen gelten auch für die Grenzen zwischen den goneoklinen und den einseitigen Bastarden.? GÄRTNER sagt,*

1 GÄRTNER, a. a. 0. S. 281. M. MacrARLANE, On the minute structure, a. a. O.

° Ebenso sagt Correns: Homodyname (einseitige) und heterodyname (go- neokline) Merkmalspaare halte ich jetzt nicht mehr für so scharf getrennt wie früher. Berichte d. d. bot. Ges. Bd. XIX. 1901. S. 213.

4 GÄRTNER, 2.2.0. S. 254.

23

Intermediäre, goneokline und einseitige Bastarde. 25

„dass die Charaktere der Stammeltern niemals rein und unverändert in die Bildung des Bastardes übergehen.“ Und wenn von dieser Regel seitdem auch Ausnahmen gefunden worden sind, so scheint mir die Aehnlichkeit mit einem der beiden Eltern in manchen Fällen doch eine so auffallende, dass man ruhig die Gruppe der einseitigen Bastarde in nicht all zu kleiner Ausdehnung nehmen darf.

Bis jetzt habe ich soviel wie möglich die äusseren Eigenschaften in ihrem Gesammtverhalten betrachtet. Wir kommen nun aber zu der Frage, wie sich die einzelnen Merkmale ın den Bastarden ver- binden können. Die Erfahrung lehrt, und ich werde unten einige Beispiele davon anführen, dass gar häufig in demselben Mischling einige Eigenschaften intermediär, andere einseitig und wieder andere soneoklin, nach dem Vater oder nach der Mutter hinneigend sind. Hier kommt nun eine zweite grosse Schwierigkeit in’s Spiel, nämlich die Werthschätzung der einzelnen Charaktere! Das eine Merkmal fällt mehr auf als das andere; dem einen Forscher scheint diese Eigenschaft wichtiger als jene. Und je nach dem Stand- punkte, den man einnimmt, wird man also die Summe als inter- mediär, als goneoklin oder als einseitig betrachten. Es hat dies oftenbar so lange keine Bedeutung als die Beurtheilung der Werthig- keit noch erst in ihrem Anfange ist.” Soll man diese nach syste- matischen und phylogenetischen Gesichtspunkten behandeln, oder soll vielleicht eben das Verhalten bei den Kreuzungen selbst maassgebend sein?

Die erörterten Schwierigkeiten in der conventionellen Bestimmung der Grenzen zwischen intermediär, goneoklin und einseitig dürfen aber nicht von dem Studium der verschiedenen Grade abhalten, ın denen sich die Bastarde von den Eltern, oder von deren Mitte ent- fernen. Und bei einem solchen Studium finden wir als die wichtigste Regel, dass die Eigenschaften um so mehr unverändert, d.h. | also um so einseitiger auf die Bastarde übergehen, je näher | sich die Eltern verwandt sind. Oder wie man es gewöhnlich ausdrückt, die Varietätsmerkmale gehen unverändert über; sie werden von der einen Stammart ererbt, während die Artmerkmale nur ın mehr oder weniger stark geschwächtem Grade, oft auf die Hälfte reducirt, übermittelt werden.

! HıLDEBRAND, Jenaische Zeitschrift. 1889. S. 542.

® Vergl. E. Tscuermax in: Beiträge über die Verschiedenwerthigkeit der Merkmale bei Kreuzung. Zeitschr. f. d. landw. Versuchswesen in Oesterreich. 1901, und in mehreren anderen Werken.

24 Die einfachen Bastarde erster Generation.

Ehe ich dazu schreite, das Gesagte an einigen auserwählten Beispielen zu erläutern, möchte ich jetzt noch die Methode erwähnen, nach der mehrere Forscher es versucht haben, die Verwandtschafts- grade ihrer Bastarde zu den Stammeltern zahlenmässig auszudrücken.

In seinen vorzüglichen Untersuchungen über die Bastarde in der Gattung Hieracium hat PETER diese Methode folgendermaassen aus- gearbeitet." Für jede gekreuzte Sorte und jede Bastardform wurde eine Liste der äusserlich wahrnehmbaren Eigenschaften aufgestellt, in der neben den gemeinsamen Merkmalen der Eltern die inter- mediären, goneoklinen und einseitigen möglichst genau angegeben wurden. Aus der Gesammtzahl aller Merkmale und aus den Summen der genannten Merkmalkategorien berechnete sich dann der Procent- satz, welcher auf den Antheil jedes der beiden Eltern entfiel. So entstand eine Tabelle, in der für jeden Bastard der sich zu Gunsten der einen oder der anderen Elternform ergebende Ueberschuss der sichtbaren Eigenschaften angegeben ist. Diese Uebersicht umfasst 115 Bastarde; unter ihnen ist nur ein einziger verzeichnet als absolut intermediär, während alle anderen ein stärkeres oder schwächeres Hin- neigen zu einem der beiden Eltern zeigen. Gruppiren wir die Bastarde nach den Graden dieses Uebergewichtes, so finden wir zwischen Vater und Mutter keinen Unterschied mehr, indem wir von der Mitte aus die Abweichungen bezw. Annäherungen an die Eltern auf eine Seite verlegen. Drücken wir ferner die Präponderanz des dominirenden Elters in Procenten aus, so erhalten wir die folgende Zahlenreihe.?

e Grade der Präponderanz im Bastard zul Erle des einen der Eltern über den anderen.

5 nf il Intermediäre Bastarde. 31 10—20 13 a Goneokline Bastarde. 8 30—40] 2 40—50 Einseitige Bastarde.

Summa: 115 Oder in Worten: In etwa der Hälfte der Fälle halten sich die beiden Eltern im Bastard ungefähr das Gleichgewicht (0—10°/, Prä-

ı A. Prrer, Veber spontane und künstliche Bastarde der Gattung Hieracium sect. Piloselloidea. Engler’s Botan. Jahrbücher. V. S. 221. Vergl. auch die Tabelle auf S. 246— 251.

® Da die nach beiden Richtungen vom Mittel fallenden Abweichungen zu- sammengerechnet sind, gehen die Procentzahlen nur von 0—50. Es bedeutet also 0, dass beide Eltern sich im Bastard das Gleichgewicht balten, 50, dass einer der Eltern den anderen völlig ausschliesst und die Zahlen zwischen 0 und 50 geben den Grad des Uebergewichtes des prävalenten Elters in Procenten an.

Intermediäre, goneokline und einseitige Bastarde. 25

ponderanz nach beiden Seiten vom Mittel); in der anderen Hälfte sind die verschiedenen Grade des Vorwaltens um so seltener, je grösser sie sind.

Es ist sehr schwer, ein allgemeines Urtheil zu fällen, so lange ähnliche Untersuchungen nicht für andere Gattungen und Familien ausgeführt worden sind. Doch macht die vorhandene Literatur den Eindruck, dass die von PETER aufgestellten Regeln wenigstens in sehr zahlreichen anderen Fällen ihre Geltung behalten, und somit bis auf Weiteres als Muster hingestellt werden können.

C. CH. Hurst hat nach derselben Methode zahlenmässige Be- rechnungen für Orchideenbastarde angestellt.! Er findet, dass sowohl in Gattungsbastarden (deren man bei den Orchideen etwa 150 ver- schiedene kennt) als in gewöhnlichen Artbastarden die Merkmale beider Eltern in der Regel zu etwa gleichen Theilen auf den Bastard über- gehen, dass aber Abweichungen von dieser Norm vorkommen und zwar um so seltener, je grösser sie sind. Aber auch hier sind die Summirungen aus oft entgegengesetzten Einzelwerthen zusammen- gesetzt, und findet man, dass in einzelnen bestimmten Merkmalen bezw. Organen die beiden Eltern sich nur selten das Gleichgewicht halten, dass stets der eine oder der andere mehr oder weniger stark vorwaltet.

Aus den mitgetheilten und anderen ähnlichen Untersuchungen ergiebt sich somit, dass genau intermediäre und absolut ein- seitige Bastarde sehr selten sind, dass die intermediären im weiteren Sinne des Wortes die grösste Menge, vielleicht etwa die Hälfte ausmachen, und dass die schwächer und stärker goneoklinen zwischen diesen beiden Extremen vielleicht nach den Ge- setzen der Wahrscheinlichkeitslehre vertheilt sind.” Es kann solches

1 C. Ca. Hurst, Notes on some experiments in hybridisation and crossbreeding. Journ. Roy. Hortic. Soc. April 1900. Vol. 24. S. 102, und Mesper's law and orchid hybrids, a.a. ©. April 1902. Vol. 26. S. 688.

?2 Die oben aus Perer’s Tabelle abgeleiteten Zahlen stimmen mit dem Wahrscheinlichkeitsgesetze so genau überein, wie es bei einer solchen Versuchs- reihe nur erwartet werden darf. Vertheilt man sie über die beiden Schenkel einer Curve, so lauten sie 1. 4. 6,5. 15,5. 30,5. 30,5. 15,5. 6,5. 4. 1. (Summe 115), während die Coeffieienten von (a + 5b)’, auf eine annähernd gleiche Summe (116) redueirt und in ganzen Zahlen ausgedrückt 1. 2. 8. 19. 28. 28. 19. 8. 2. 1 sind. Man erblickt die Uebereinstimmung vielleicht noch bequemer, wenn man von der letzteren Zahlenreihe die Hälfte nimmt, und die einzelnen Werthe ver- doppelt, also 56. 38. 16. 4. 2 und diese mit Prrer’s Zahlen 60. 31. 13. 8. 2 vergleicht. Es deutet dieses darauf hin, dass die einzelnen Eigenschaften in diesen Bastarden unabhängig von einander gruppirt sind, und dass die physio- logischen Gesetze, welche das Verhalten der Bastarde zu ihren Eltern beherrschen,

26 Die einfachen Bastarde erster Generation.

selbstverständlich nur von solchen Bastarden gelten, deren Eltern sich von einander in mehr als einer Eigenschaft, am besten in einer ziemlich bedeutenden Reihe von Merkmalen unterscheiden, denn bei einer zu geringen Anzahl von Differenzpunkten wird die Aussicht auf das Ueberwiegen des einen oder des anderen der Eltern offenbar zunehmen. Somit werden wir auch hier dazu geführt, das Studium der elementaren Eigenschaften in der Bastardlehre in den Vordergrund zu stellen.

Nach diesen allgemeinen Erörterungen will ich jetzt eine Reihe von Beispielen aus der Literatur zusammenstellen und fange mit den intermediären Bastarden an, dabei diese Bezeichnung in seinem oben angedeuteten weiteren Sinne benutzend. Es gehören dazu somit, soweit es sich abschätzen lässt, etwa die Hälfte aller beschriebenen Bastarde.

Nach WiıcHhtra sind die Weidenbastarde, mit ganz seltenen Ausnahmen, stets Mittelbildungen zwischen ihren Eltern; sie neigen nicht deutlich zu der väterlichen oder zu der mütterlichen Stammart hin. Ebenso verhalten sich die Bastarde von Zufa und vielen anderen von NAUDIN studirten Gattungen.! Geum intermedium (Geum urbanum X rivale) ist eine constante, zwischen den Eltern nach den meisten Forschern die Mitte haltende Form, wenn sie auch nach (sopRoN etwas mehr dem @. rivale ähnlich ist.” Sehr ausführlich wurde Drosera filiformis x D. intermedia von MACFARLANE studirt.? Es ist ein schöner, in allen Hinsichten intermediärer Bastard, in welchem aber dennoch ein Vorwiegen des Vaters nicht ganz ausgeschlossen ist. Ribes nigrum x Grossularia ist nach Wırsox intermediär zwischen den Eltern, hat aber keine Spur von dem Geruch des ersteren und wird von den Raupen von Zerene grossulariata gefressen, während die Mutter immun ist.* Sehr bekannt ist die Abbildung von Primula pubescens = P. Auricula X P. hirsuta, nebst ihren beiden Eltern in KERNER’s

somit nicht an der Gesammtheit der Merkmale, sondern an den einzelnen Eigen- schaften studirt werden müssen. Weitere Untersuchungen zur Bestätigung dieses Satzes scheinen mir sehr erwünscht, werden aber äusserst umfangreiche Versuchs- reihen erfordern.

1 ©. Navpın, Nouvelles Archives du Museum d’histoire naturelle. Paris 1869.

Goproxn, Memoires de U Academie de Stanislas. Nancy 1865. p. 347—348.

® J. MuırRueAnD MAcrFARLANE, Publications of the University of Pennsylvania. Bot. Vol. II. No. 1. 1898. S. 87, und Journ. Roy. Hortic. Soc. Vol. 24, April 1900. S. 248.

* J. H. Wırson, The structure of some new hybrids. Journ. Roy. Hortie. Soc. Vol. 24, April 1900. 8.146. Hier eine Reihe weiterer Beispiele mit Ab- bildungen.

Intermedtäre, goneokline und einseitige Bastarde. 27

Pflanzenleben (Bd. Il. S. 558).! Ebenso Phaseolus vulgaris x P. multi- florus, der von MENDEL gemacht und später von KÖRNICKE zufällig aufgefunden wurde;? dieser Bastard entstand im Jahre 1887 im meinen Culturen in einigen wenigen Exemplaren, welche gut mit der von den citirten Forschern gegebenen Beschreibung übereinstimmten.

In Bezug auf den anatomischen Bau sind die Bastarde wohl zuerst von VON WETTSTEIN,? später von Branpza und anderen For- schern, am eingehendsten aber von MACFARLANE* untersucht worden. Dieser hervorragende Forscher giebt eine sehr ausführliche anatomische Vergleichung von einer grösseren Reihe von Bastarden mit ihren Eltern, und findet sie im Allgemeinen intermediär, namentlich überall dort, wo es sich um Zahl und Grösse der Organe handelt. Aus seiner Arbeit nenne ich Philageria Veitchü (= Philesia buxifolia+ Lapageria rosea), Dianthus Grievei (= D. alpinus + D. barbatus), Geum intermedium (= @. urbanum x G. rivale) und Sazifraga Andrewsü (= S. Geum + S. Aixoon).?

Aber auch hier giebt es m nicht wenigen Fällen Ausnahmen, d.h. eine mehr oder weniger starke Präpotenz des einen der Eltern.® Ich führe als Beispiel den soeben genannten Philageria-Bastard an.’ In der Form der Oberhautzellen der Oberseite der Blätter herrscht oft P. buxifolia vor, wegen der dicken und wenig geschlängelten Wände, aber an einzelnen Stellen verschwindet dieses Uebergewicht und scheinen die beiden Eltern sich in gleichem Maasse am Bastard zu betheiligen. Die unterseitige Epidermis ist meist ziemlich genau intermediär, doch sind in den beigegebenen Figuren die Stomata mehr nach der Art der Lapageria als nach dem Modus der Philesia mit den übrigen Zellen verbunden.

Die goneoklinen Bastarde nannte GÄRTNER decidirte Typen, weil sie entweder dem Vater oder der Mutter glichen. Als solche nennt er (a. a. O. S. 286) z. B. Mirabilis Jalapa X longiflora und Nicotiana pa- niculata X vincaeflora, welche dem Vater, dagegen Lychnis diurna x Flos ceuculi, Dianthus barbatus X prolifer und Nicotiana quadrivalıis X glutinosa, welche der Mutter ähnlich waren. Aus den Untersuchungen von

! KERNER, 2.2.0. giebt weitere Beispiele intermediärer Bastarde. S. 550—556. * Vergl. Focke, Die Pflanzenmischlinge. 8. 111—112. ® R. v. WETTSTEIN, Ueber die Verwertung anatomischer Merkmale zur Er- kennung hybrider Pflanzen. Sitzungsber. d. k. Acad. d. Wiss. Wien, Nov. 1887. | * J. M. Maorarrane, The minute structure of plant hybrids. Transactions Roy. Soc. Edinburgh 1892, mit 8 Tafeln. ° Ueber die Bedeutung der Zeichen x und + vergl. oben S. 10. 6 MACFARLANE, |. ce. S. 207. "1. e. 8. 214—215, und Tafel III, Fig. 4—9.

28 Die einfachen Bastarde erster Generation.

WIcHuRA nenne ich ferner Salix Arbuscula X purpurea. Diese bildete die einzige Ausnahme von der Regel der Mittelbildungen. Zwar war sie in den Blättern noch ein vollständiges Mittelding zwischen den Stammarten, im Wuchs jedoch hatte sie nichts mit den gerade aufgerichteten Zweigen der S. purpurea gemein, vielmehr lag sie völlig niedergestreckt am Boden, wie die S. Arbuscula. Alle acht von WicHurA erzeugten Exemplare verhielten sich dabei in derselben Weise (a. a. O. 8. 47).

Aus meinen eigenen Beobachtungen führe ich hier einen aus- gesprochen goneoklinen Bastard an, den ich durch Kreuzung von Oenothera muricata mit O. Lamarckiana gewann.

O. muricata ist eine bei uns häufige, wild wachsende, constante und sowohl durch die Beobachtung im Freien als durch die Cultur im Versuchsgarten durchaus bekannte Art, von der ich die Samen, Blüthen und Pflanzen zu meinen Culturen stets an solchen Stellen der Küstengegend meines Vaterlandes eingesammelt habe, wo nur diese Art von Oenothera vorkam, wo also die Reinheit der Herkunft völlig gesichert war. Die Lamarckiana-Blüthen zu diesen Versuchen entnahm ich den im ersten Bande beschriebenen reinen Familien.

Oenothera muricata und O. Lamarckiana habe ich dreimal gekreuzt, das erste Mal im Jahre 1894, die beiden andern im Sommer 1899. Dabei erhielt ich stets nur eine einzige Bastardform, welche in allen Individuen der drei Versuche sehr genau dieselbe war (Fig. 3 und 4).

Im August 1894 wurden drei Pflanzen von ©. Lamarckiana ca- strirt, und unter Ausschluss des Insektenbesuches mittels Pergamin- beuteln, mit dem Staube von im Freien eingesammelten Blüthen von O. muricata belegt. Von jeder Mutter säte ich im nächsten Frühling eine Samenprobe, und erhielt etwa 200 Pflanzen, welche theilweise nur Rosetten von Wurzelblättern bildeten, theilweise Stengel trieben und zum Blühen gelangten. Bei fast täglicher Beobachtung zeigten sich keine Differenzen in den Merkmalen dieser Pflanzen. Da die ein- jährigen Individuen keine Früchte reiften und die Rosetten im Winter eingingen, habe ich die Aussaat mit einer neuen Probe der Bastard- samen von 1894 im Jahre 1897 wiederholt, indem ich jetzt nicht auf dem Beete aussäte, sondern im Gewächshaus. Die jungen Pflanzen wurden einzeln in Töpfe mit stark gedüngter Erde gesetzt und An- fang. Juli auf das Beet gebracht. Dennoch fingen sie wiederum zu spät an zu blühen, und reiften sie keine Samen. Es waren 60 meist reich verzweigte Exemplare, von denen mehrere im September und October üppig blühten; sie bildeten ein höchst einförmiges Beet von ganz eigenem Aussehen.

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Intermediäre, goneokline und einseitige Bastarde. 29

ckiana die Mutter. Im esteren Versuche wurden zwei Exemplare aus meiner Rasse castrirt, ım letzteren eine Pflanze aus käuflichem Samen. Die Ernte wurde getrennt gesammelt und mit möglichst grosser Sorge ausgesät. Die Keimpflanzen waren, wie beim ersten

Versuch, schmalblättrig und gelblich. Etwa die Hälfte war so schwach,

Fig. 3. Oenothera Lamarckiana X O. muricata. Fig. 4. Oenothera Lamarckiana x Blühender Gipfel des Stammes. 1899. O. muricata. Nahezu reife Früchte.

dass sie nach der Entfaltung von einem oder einigen wenigen Blättern zu Grunde gingen, die übrigen wurden ausgepflanzt. Die Anzahl der letzteren betrug im ersten Versuch etwa 130, im letzten etwas über 100. Von diesen blühten im September 85 und 64 Exemplare; die übrigen blieben Rosetten von Wurzelblättern oder trieben ihren Stengel zu spät im Sommer. Von dem zweiten Versuch wurde 1901 noch eine weitere Probe ausgesät, welche 46 theils blühende, theils

30 Die einfachen Bastarde erster Generation.

sich zu spät entwickelnde Pflanzen lieferten. Im Ganzen also nahe- zu 300 Exemplare, welche Anzahl in Verbindung mit denen der Jahre 1895 und 1897 wohl ausreicht, um die Bastardgeneration als eine durchaus monotype bezeichnen zu dürfen.

Die Figuren 3 und 4 geben ein Bild von diesem Typus. Die Pflanzen sind niedriger als die beiden Mutterarten, was aber wohl nur daher rührt, dass sie im Allgemeinen mehr gelblich als grünlich sind, und daher zu wenig Chlorophyll besitzen. Sie erreichen kaum die Höhe von einem Meter, und dementsprechend sind die Inflores- cenzen arm an Blüthen und die Blüthen selbst klein!. In Bezug auf die eigentlichen Merkmale sind zunächst die Blätter schmal, nur wenig breiter als bei ©. muricata, mit buchtigem Rande und meist ohne Buckeln. Ebenso die Bracteen der Inflorescenz. Stengel und Früchte mehr oder weniger behaart, oft röthlich. Derselbe Farbenton auf den Kelchen und den jungen Internodien. Die Kelchzipfel erreichen ?2/, der Länge der Röhre, oder weniger. Die Staubfäden sind von der Höhe der Kronenblätter; die Narben zwischen ihnen liegend, sich wenig öffnend, Selbstbefruchtung oft schon vor dem Oefinen der Blüthe herbeiführend, wie bei O. muricata. Früchte dünn, meist nur etwa 4mm dick bei einer Länge von etwa 20—25 mm (Fig. 4), also dünner als bei den beiden Eltern. j

Sehr typisch ist das in Fig. 3 dargestellte Nutiren der blühenden Sprossgipfel, eine für O. muricata so durchaus charakteristische Eigen- schaft. Deutlich an den einzelnen Exemplaren, fällt diese Erschei- nung auf den Beeten, wo alle Sprossgipfel nach derselben Seite über- neigen, sehr stark auf.

Wie aus dieser Beschreibung hervorgeht, fehlen dem Bastard die Hauptmerkmale der O. Lamarckiana, welche in der Tracht und in der Grösse der Blumen liegen. Dagegen herrschen in den Blättern und Früchten die Eigenschaften der O. muricata vor. Für eine richtige Analyse würde man aber unbedingt die zweite Generation brauchen, ! und diese habe ich noch nicht erzogen.

Wir kommen jetzt zu den einseitigen Bastarden, und fassen diese Gruppe zunächst in dem weiteren Sinne des Wortes auf. Hymeno- callis, Lilium, Billbergia und Nicotiana liefern hier die älteren Beispiele, denen sich aus PETER’s Untersuchungen einige Hieracium-Bastarde an- reihen lassen. Fasst man die Gruppe sehr eng, so enthält sie nur die von MitLArnET beschriebenen Hybriden von Fragaria und einigen

! Verwandte Culturen lehren, wie wir später sehen werden, dass diese Diffe- renzen sich in der nächsten Generation ausgleichen können.

Intermediäre, goneokline und einseitige Bastarde. ol

anderen Gattungen, die von Hurst zusammengestellten Orchideen- Mischlinge und eine grössere Reihe von Varietätbastarden. Es lohnt sich, diesen extremen Fällen eine etwas eingehendere Besprechung zu widmen.

Ehe ich dazu übergehe, gebe ich eine Beschreibung eines sehr typischen einseitigen Bastardes, den ich durch die Kreuzung von zwei nächstverwandten Arten von Oenothera gewonnen habe. Der Mischling von Oenothera biennis und O. Lamarckiana gleicht der ersteren Art so stark, dass man beide kaum von einander unterscheiden kann. Ich habe diese Kreuzung theils im Jahre 1894, theils im Sommer 1899, und im letzteren Jahr theils mit O. Lamarckiana aus meinen eigenen Culturen, theils mit derselben Art aus käuflichem Samen ausgeführt. Stets wählte ich die O. Lamarckiana als Mutter. Den Blüthenstaub nahm ich im ersteren Jahre von im Freien eingesammelten Blüthen,! im letzteren von meinen Culturen. Die Bastarde waren einförmig, und sowohl im Rosettenalter als während der Blüthe und der Fruchtreife der O. biennis zum Verwechseln ähnlich. Ich hatte im Jahre 1895 etwa 50 blühende Pflanzen, im Sommer 1899 aus den beiden Ver- suchen deren etwa 70 + 60, im Ganzen also etwa 180 blühende Exem- plare, nebst einigen jüngeren Stengeln und einigen Rosetten (zwei- jährigen Individuen). Unterschiede kamen vor, waren aber nicht so erheblich oder so deutlich, dass davon eine Beschreibung entworfen werden könnte.

Im Sommer 1895 erntete ich, nach künstlicher Selbstbefruchtung, einige Samen und hatte aus diesen im Jahre 1896 die zweite Ge- neration. Sie wiederholte in etwa 50 Pflanzen nur die Merkmale der ersteren.

MILLARDET hat mit verschiedenen wildwachsenden Arten und cul- tivirten Sorten von Erdbeeren Kreuzungen ausgeführt, und dabei fast ausnahmslos Bastarde vom Typus der Mutter erhalten.? Nur von Fragaria Hautbois x Globe kam neben 14 mütterlichen ein väterlicher,

' d.h. wie immer, aus den noch nicht geöffneten Knospen.

° A. Mırzarper, Note sur U’hybridation sans croisement ou fausse hybridation, Mem. Soc. Sc. phys. et nat. de Bordeaux. T. IV. (4. Serie.) 1894. MiLLARDET nennt diese Bastarde, welche nur dem einen der Eltern mit völligem Ausschluss des anderen gleichen, und sich in ihren Nachkommen gleich bleiben, falsche Bastarde, und in meinen beiden vorläufigen Mittheilungen über das Spaltungs- gesetz der Bastarde und über erbungleiche Kreuzungen (Berichte d. d. bot. Ges. Bd. XVII. 1900. Heft3 und Heft 9) habe ich diese Bezeichnung in derselben Weise verwendet. Von competenter Seite sind dagegen aber Beschwerden er- hoben, in denen man behauptete, dass es besser sei, den Begriff der unechten Bastarde nicht zu erweitern. Auch hat inzwischen Wessrr den Namen falsche

32 Die einfachen Bastarde erster Generation.

und von F. alpina x Ananas neben 79 der ersteren ein einziger der letzteren Form vor.! Vierzehn weitere Kreuzungen gaben auf 76 Hybriden nur den mütterlichen Typus. Diese Bastarde waren bei Selbstbefruchtung in der Regel constant. Die Arten Fragaria virginiana, F. chiloensis und F. Grayana geben aber Bastarde, in denen die Merk- male der beiden Eltern vermischt beobachtet werden. Auch in den Gattungen Pitis und Rubus gelang es MitLARDET solche völlig ein- seitige Bastarde zu erhalten.

Hvrst giebt eine Zusammenstellung von zehn Bastarden in der Familie der Orchideen, welche gleichfalls völlig einseitig waren, und keine Spur der Merkmale des einen der Eltern zeigten.” In MIiLLARDET’S Versuchen waren es vorwiegend die Mütter, zu denen die Bastarde hinneigten, bei den fraglichen Orchideen war solches ausschliesslich der Fall. In einigen Kreuzungen handelte es sich allerdings nur um wenige Bastardexemplare, in anderen aber um sehr zahlreiche, bis weit über 300, welche alle diese auffallende Einseitigkeit zur Schau trugen. Die Versuche waren aber nicht von Hursrt selbst angestellt, sondern zumeist von Handelsgärtnern; die Gefahr einer zufälligen Selbstbefruchtung schien aber in genügender Weise ausgeschlossen. Die meisten dieser Kreuzungen fanden zwischen Arten verschiedener Gat- tungen statt. Die Aehnlichkeit mit der Mutter war eine so vollstän- dige, dass Hvrsr die Vermuthung äussert, dass es sich um Partheno- genesis wie bei Aniennaria alpina oder um Adventivembryonen wie bei Citrus und Funkia zu handeln scheine, welche dann, ähnlich wie bei Coelebogyne, sich bei misslungener Kreuzungsbefruchtung entwickelt hätten. Namentlich gilt diese Vermuthung dem Fall, wo auch die reeiproke Kreuzung ausgeführt wurde (Laelia harpophylia x Paphio-

Bastarde auf die bei Kreuzungen von Citrus aus den adventiven Embryonen entstehenden, der Mutter gleichen Individuen angewandt, und Andere haben sich diesem Gebrauch angeschlossen, (Hybrid Conference Report, Journ. Roy. Hortie. Soe. April 1900. $. 132—136). Vergl. auch C. Cn. Husst, a.a. O0. 8. 104 und A. Gıaro in: Comptes rendus de la Societe biologique de Paris. 4. Nov. 1899.

! Vergl. über die Möglichkeit von Fehlerquellen: Berichte d. d. bot. Ges. 1901. 8. 219.

2 ©. Cu. Hurst, Notes on some experiments in hybridisation and cross-breeding. Hybrid Conference 1899 Report; Journ. Roy. Hortie. Society. Vol. 24, April 1900, S. 104. Die Kreuzungen sind: Zygopetalum Mackayi x Odontoglossum nobile; dieselbe Mutter mit anderen Arten von Odontoglossum, wie O. crispum, O. grande und 0, bietonense, mit Lycaste Skinnerii und mit Oneidium ungwieulatum. Ferner Epidendrum O’Brienianum (x) x Dendrobium eristallinum, Phragmipedilum longi- folium X Paphiopedilum Stoniü, und Phragmipedilum Sedeniü x Paphiopedilum Stonei,

Die ralnn der N. ylogenetisch älteren IE, 93

pedilum en), und wo jedesmal die Eanlehen Mana mit Ausschluss der väterlichen auf den Bastard übertragen wurden. !

Einseitig ist schliesslich eine ganz bedeutende Reihe von Kreu- zungsprodukten von sogenannten Varietäten. In der Regel waltet dabei das Merkmal der Art, falls diese mit einer ihrer Varietäten verbunden wurde, im Bastard vor, so z. B. wenn weissblühende Varie- täten mit ihren blauen oder rothen Stammarten gekreuzt werden. Fasst man die Gruppe der einseitigen Bastarde nicht zu enge, so zeigt es sich auf den ersten Blick, dass alle hybriden Individuen einer Kreuzung unter sich gleich sind, und nur in den Schranken der ge- wöhnlichen fluctuirenden Variabilität von einander abweichen. Aber eine genauere Prüfung ergiebt auch hier, dass die Einseitigkeit nur eine relative ist, und dass die Bastarde, im Mittel aus grösseren Gruppen, dem Mittelwerthe der prävalenten Elternart nicht absolut gleich zu sein brauchen. ?

In der Praxis ist es unzweckmässig, die Grenzen der einseitigen, sowie der intermediären Bastarde gegenüber den goneoklinen zu enge zu fassen, da ja Differenzen in den Auffassungen der verschiedenen Autoren stets vorkommen und überall unvermeidlich sind, wo die Hybriden nicht durch umständliche variationsstatistische Untersuchungen mit ihren Eltern verglichen wurden.

Als Schluss dieses ganzen Paragraphen sehen wir also, dass im Bilde des Bastardes sich nicht die beiden Elterntypen als Einheiten vermischen, sondern dass sie sich als zusammengesetzte Werthe er- geben, deren einzelne Componenten an jenem Bilde einen sehr ver- schiedenen Antheil nehmen können.

4. Die Präpotenz der phylogenetisch älteren Eigenschaften.

Getreide-Kreuzungen sind von hervorragenden Forschern theil- weise mit praktischen Zwecken, theilweise in der Hoffnung gemacht worden, „aus dem Verhalten der folgenden Generationen einigen An- halt zu bekommen zur Beurtheilung der genetischen Entwickelung“ der einzelnen Formen. In seinen berühmten Untersuchungen über die „Kreuzungsprodukte landwirthschaftlicher Kulturpflan- zen“ hebt Rımpau diesen Zweck nahezu bei jeder einzelnen Versuchs-

! Diese letzteren Angaben, deren Urheber nicht genannt wird, scheinen auch deshalb fraglich, weil die beiden Eltern zu verschiedenen Desndlen gerechnet werden.

® Vergl. hierzu den im nächsten Abschnitt zu beschreibenden Versuch mit Hyoscyamus.

DE VRIEs, Mutation. II. 3

34 Die einfachen Bastarde erster Generation.

reihe hervor. Die Beobachtungen an den Bastarden sind für ıhn „ein Argument selbstverständlich kein Beweis“ in der Frage, welche von zwei verwandten Sorten die ältere, und welche die jüngere sei.

Dieselbe hohe Auffassung der Ziele des Bastardirens finden wir bei den meisten Forschern, bald mehr, bald weniger klar ausgesprochen wieder. Und dieses sowohl auf botanischem als auf zoologischem (Gebiete. Sranpruss leitet aus seinen bahnbrechenden Kreuzungsver- suchen mit verschiedenen Insecten, namentlich aus den Schmetterlings- (rattungen Smerinthus, Bombyx, Saturnia u. s. w., als das erste und ausschlaggebendste Gesetz über den morphologischen Charakter der Hybriden „das Vorwiegen des Gepräges der phylogenetisch älteren Art“ ab.” Der Bastard steht der erdgeschichtlich älteren Art näher als der jüngeren.? Ihm folgte namentlich Erıc Mory in dem Studium der Bastarde des Sphingiden-Genus Deilephila.*

Dass die älteren Merkmale wenigstens oft und in hohem Grade bei den Bastarden von Thieren und Pflanzen prädominiren, war auch den älteren Forschern bereits aufgefallen und wurde namentlich auch von GÄRTNER (z. B. a. a. O. S. 233) hervorgehoben, und auch den Thierzüchtern ist es bekannt, dass bei Kreuzungen die älteren Formen stärker wirken als die jüngeren. ?

Die einschlägigen Erfahrungen lassen sich in zwei Gruppen zu- sammenstellen, je nachdem es sich um Merkmale handelt, welche bei einem der beiden Eltern sichtbar sind, oder um solche, welche in ihnen nur verborgen vorhanden sind. Im letzteren Falle spricht man von Atavismus; diesen werden wir erst im folgenden Paragraphen besprechen.

Selbstverständlich beschränke ich mich auch hier auf die bota- nische Seite der Frage, aber die Schlüsse sind, soweit ich solches ermitteln konnte, dieselben wie auf zoologischem Gebiete. Hier wie dort ist die Hauptschwierigkeit, dass man in den meisten Fällen nur mit einem grösseren oder geringeren Grade von Wahrscheinlichkeit

! W. Rımpav, Kreuzungsprodukte landwirthschaftlicher Culturpflanzen. Land- wirthsch. Jahrbücher. 1891. 8.25, 31 u. a. a. S. des Sonderabdruckes.

® M. Stanpruss, Experimentelle zoologische Studien. Neue Denkschriften der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft für die gesammten Naturwissenschaften. 1898. S. 23 des Sonderabdruckes, und an anderen Stellen. Derselbe in „Zhe Entomologist“. May 1895, und Bull. Soc. entomologique de France. 1901. Nr. 4.

° Vergl. auch M. Stanpruss, Handbuch der paläarktischen Grossschmetterlinge. Zürich 1896.

* Erıch Mory, Mittheilungen d. schweiz. entomol. Gesellsch. Bd. 10, Heft 8.

5 Vergl. z. B. Naturwiss. Wochenschrift. Bd. XIV, Nr. 24. 1899. 8. 278.

Die Präpotenz der phylogenetisch älteren Eigenschaften. 35

entscheiden kann, welcher von zwei gekreuzten Typen der ältere sei. Manchmal ist solches allerdings, unserer allgemeinen Auffassung des Fortschrittes in der organischen Welt entsprechend, „evident“; manch-

mal kann uns die Analogie aber auch täuschen. Es handelt sich |

somit hier bei Weitem nicht um ein Gesetz. Es giebt viele Aus- nahmen. Allerdings liegt die Vermuthung nahe, dass diese, wenig- stens oft, nur scheinbare sind, und bei einer tieferen Kenntniss der fraglichen verwandtschaftlichen Beziehungen verschwinden würden. Aber beim jetzigen Stande der Wissenschaft müssen wir uns hier darauf beschränken, sie als Ausnahmen vorzuführen.

Das schönste Beispiel des Vorwaltens der phylogenetisch älteren Eigenschaften bilden wohl die von Hurst beschriebenen Orchideen- Bastarde der Gattung Epidendrum.! Es handelt sich hier nament- lich um E. radicans, eine schlanke, dünnstengelige, nicht knollenartig verdickte Art. Wird diese mit Formen aus den verwandten, knollen- bildenden Gattungen Laelia, Cattleya oder Sophronitis gekreuzt, so ist die einfachere und offenbar ältere Tracht des Epidendrum stets prä- potent über die stärker differenzirten Formen jener höheren Gattungen. Man kennt nur sieben Kreuzungen zwischen Epidendrum und den drei genannten Gattungen; in allen war Epidendrum der Vater und zeigten die Bastarde, neben dessen Merkmalen, in untergeordneten specifischen oder Varietätseigenschaften den Einfluss der Mutter doch noch so weit, dass über die Thatsache der Bastardirung kein Zweifel ob- walten kann.?

Ein zweites Beispiel liefert Citrus trifokata in ihren Kreuzungen mit den cultivirten Arten von Citrus, da die offenbar älteren drei- zähligen Blätter der genannten Art stets über die einfachen Blätter mit ihrem sogenannten geflügelten Blattstiel prädominiren. WEBBER,’ der seit dem Jahre 1893 etwa 2000 Citrus-Bastarde gemacht hat, giebt hierüber sehr ausführliche Mittheilungen. Ist die cultivirte Art die Mutter, und COitrus trifoliat« der Vater, so kann man an diesem Merkmal die echten Bastarde von den falschen unterscheiden, d. h. von den Pflanzen, welche aus Adventiv-Embryonen hervorgegangen

ı Journ. Roy. Hortic. Soc. April 1900. S. 104.

® Die Bastarde sind: Epiphronitis Veitchüi (= Sophronitis grandiflora x Epid. radicans), Epi- Cattleya matutina (= Cattleya Bowringiana x E.r.), Epi- Laelia radico-purpurata (= Laelia purpurata x E. r.), Epi- Laelia Charlesworthüü (= Laelia cinnabarina x E. r.), Epi- Cattleya Mrs. JAMES O’BRIEN (= Cattleya Bowringiana x Epidendrum O’Brienianum, welch’ letzterer selbst ein Bastard von Epid. evectum x E. radicans ist) und Epi- Laelia heatonensis (= Laelia einnabarina x E. O’Brieniamum).

® J. H. Weser, Journ. Roy. Hort. Soc. April 1900. $. 128—138.

3+

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36 Die einfachen Bastarde erster Generation.

sind und also nur die Merkmale der Mutter besitzen können (vergl. oben S. 31). Ebenso verhält es sich in Bezug auf das Abfallen des Laubes im Winter, das doch wohl eine jüngere Eigenschaft ist als das Verharren der Blätter an den Zweigen im Winter.! Denn die Bastarde sind regelmässig wintergrün.

Weitere Beispiele findet man in der Literatur zahlreich. So geben perennirende Arten von Papaver mit einjährigen gekreuzt nach GoproN perennirende Bastarde, und dominirt Petunia violaces über P. nyctaginiflora (Naupıs). So soll man in der Gattung Amaryllis nicht mit A. aulica und A. solandraeflora kreuzen, weil das grüne Herz und die unschönen Blumen der ersteren, sowie die hängenden, sich fast nicht öfinenden Blumen der letzteren zu stark präpotent sind (VEITCH, DE GRAAFF). Bekannte Beispiele geben ferner die Gat- tungen Althaea, Pisum, Antirrhinum, u. v.a. Die Präpotenz ist häufig so stark, dass die Bastarde einer dominirenden Art mit verschiedenen anderen Arten unter sich gleich sind, und man somit aus ihren Merk- malen nicht ableiten kann, welche Species der andere Erzeuger war. So erzeugten z. B. Nicotiana rustica, asiatica, humilis und pumila mit N. panieulata befruchtet den gleichen Typus (GÄRTNER a. a. O. S. 275) und bietet dieselbe Gattung noch manche andere derartige Fälle.

In vielen Gattungen giebt es eine Art oder einige wenige Arten, welche in Kreuzungen mit den übrigen Species den Bastarden sehr regelmässig ihr Gepräge aufdrücken, welche sich also, so zu sagen, im ganzen Genus als die dominirenden auszeichnen. GÄRTNER nennt sie deshalb Gattungstypen. Einen solchen formbestimmenden Einfluss bestimmter Arten hat er in verschiedenen Graden in den Gattungen Dianthus, Digitalis, Geum, Lobelia, Lychnis, Nicotiana und Verbascum be- obachtet. So wird z. B. in Nieotiana panieulata x Langsdorfii und N. pani- culata X vincaeflora der Einfluss der Väter durch die prädominirende Wirkung der Mutter beinahe ganz vernichtet oder völlig unkenntlich gemacht (a. a. O. S. 289). Auch Naupm berichtet über ähnliche Fälle; dagegen halten sich bei den Weiden nach WicHurA die beiden Eltern fast immer ziemlich genau das Gleichgewicht. In der Gruppe der Piloselloiden aus der Gattung Hieracium besitzen nach PETER H. setigerum, H. aurantiacum, H. Pilosella und H. magyaricum eine solche Präpotenz, da sie in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ihre Merkmale vollständiger auf die Bastarde übertragen als die zweite

' Denn der Laubabfall ist wohl als eine Anpassung an kältere Klimate aufzufassen.

Die Präpotens der phylogenetisch älteren Eigenschaften. 37

mitwirkende Stammform (a. a. O. S. 229), doch hält Prrer grade diese typischen Arten nicht für die phylogenetisch älteren.

Gehen wir jetzt zu den Varietätenbastarden über, so wird allge- mein das Varietätsmerkmal für jünger als das antagonistische Kenn- zeichen der typischen Art betrachtet. Dementsprechend waltet in den Hybriden das Artmerkmal vor und verschwindet die Eigenthümlich- lichkeit der Abart (HEerBErr). Solches gilt sowohl wenn man Art- genossen kreuzt, als wenn man Varietäten mit anderen nächst ver- wandten Arten verbindet. Wir werden später von dieser Regel so viele Beispiele zu besprechen haben, dass an dieser Stelle einige wenige genügen dürften.

Bei bekannter Abstammung waltet die ältere Eigenschaft in den Kreuzungen vor, z. B.!

Präpotent: Recessiv: bekannt seit: Chelidonium majus ©. laciniatum? + 1590 Oenothera Lamarckiana O. brevistylis? + 1880 Lychnis verpertina (behaart) L. v. glabra + 1880.

In diesen Beispielen sind als „recessiv“ drei jüngere Formen angegeben mit den Jahren, in welchen sie zuerst aufgefunden worden sind, diese Jahre entsprechen also annähernd dem Zeitpunkte ihrer Entstehung aus den in der ersten Spalte genannten Arten. Bei der Kreuzung mit der betreffenden Art dominirt deren Merkmal, dasjenige der Varietät verschwindet so gut wie völlig.

Die systematisch höhere Eigenschaft prävalirt, unter anscheinend völligem Ausschluss des Varietätenmerkmales, z. B. in den folgenden Verbindungen: Papaver somniferum x P. s. nanum, Calliopsis tinctoria x 0. t. brunnea (Fig. 5), Polemonium coeruleum x P. e. album., Datura Stramonium x D. S. inermis. In Rımpau’s Getreidekreuzungen? ver- halten sich die jüngeren Formen im Allgemeinen in ähnlicher Weise gegenüber den älteren. So glich z. B. das Produkt der Kreuzung von Rıverr’s Grannenweizen x sächsischem rothem Landweizen in allen

! Berichte d. d. bot. Ges. Bd. XVIII, 1900. 8. 85. ® Vergl. Bd. I, S. 134 und Fig. 36 ebendaselbst. 2 Verg]. Bd,T, 8.223. * Ebenso fand ich bei Kreuzungen von Oenothera biennis und von Oenothera ' muricata mit einer neuen, in meinen Öulturen zufällig aufgetretenen Sorte, Oen. hirtella (siehe unten), die beiden ersteren älteren Arten dominirend, mit völligem Ausschluss des hirtella - Typus.

5 W.Rımpav, Kreuzungsprodukte landwirthschaftlicher Culturpflanzen. 1891.8.9.

38 Die einfachen Bastarde erster Generation.

Aehren völlig der Vaterpflanze und prädominiren die unbegrannten Typen regelmässig über die begrannten.!

Ein weiteres, sehr wichtiges Beispiel bilden die Pelorien, welche zwar häufig als atavistische Erscheinungen betrachtet werden, aber doch als Anomalie wohl stets jünger sind als der Typus der Art, zu der sie gehören. Dieser letzteren Beziehung entsprechend verhalten sie sich bei Bastar- dirungen recessiv.

Es lohnt sich, die Angaben über Kreu- zungen von Pelorien hier aus der Literatur zu-

NS} sammenzustellen. DAR-

\ P, wıx kreuzte Antirrhinum majus mit A. majus pe-

a loria und erhielt aus den

= gr

u, beiden reciproken Ver- $ . . .. R\ \ bindungen eine grössere N \ Zahl von Nachkommen, INN

i von denen aber kein einziger pelorisch war. Das jüngere Merkmal war somit recessiv. Aus den Samen der Bastarde hatte Darwın im näch- sten Jahre 127 Pflanzen der zweiten Generation, und von diesen waren 88 oder 71°/, von der nor- malen Form, während die übrigen nur pelo- rische Blüthen trugen. ? Diese Zahl deutet darauf hin, dass die pelorische Eigenschaft in den Bastarden latent war und in deren Kindern in demselben Verhältnisse sichtbar wurde, wie in den später zu behandelnden Mexper’schen Kreuzungen. Huxsr giebt eine Uebersicht über die Kreuzungen von Dropedium Lindenii, welche als eine spontane, wild wachsende Pelorie

Fig. 5. Calliopsis tinctoria.

! Vergl. auch Henrı L. ve Vırmorın, Experiences de croisement entre des bles differents. Bull. Soc. Bot. France. 1888. ? Cu. Darwın, Animals and plants under domestication. II, p. 46.

Die. Präpotens der phylogenetisch älteren Eigenschaften. 39

von Oyripedium caudatum betrachtet wird. Diese merkwürdige Orchidee besitzt keine Unterlippe, die Stelle dieses Organes ist von einem langen blumenblattartigen Theile eingenommen, welcher oft über einen halben Meter lang wird; auch findet man einen dritten frucht- baren Staubfaden unter dem Stigma am Gynostemium ausgebildet. Die Pflanze wächst ın den Wäldern von Colombia, wo sie zuerst von JEAn LinpEn im Jahre 1843 entdeckt wurde; sie wurde später aber auch in benachbarten Gegenden angetroffen. Sie ist also offen- bar in ihrem Wohnorte samenbeständig. Kreuzungen dieser pelorischen Form sind ausgeführt worden mit verschiedenen Arten von Oypri- pedium (Phragmipedilum), z. B. C©. longifolium, C. conchiferum x, 0. Ains- worthü calurum x und C. grande x, aber in allen diesen Fällen war der pelorische Charakter völlig recessiv.! Naupn kreuzte Linaria vulgaris peloria anectaria (ohne Sporne) mit L. vulgaris; die Bastarde hatten symmetrische, einspornige Blüthen.? Ich habe selbst die ge- spornte Form von Linaria vulgaris peloria, welche ich im ersten Bande beschrieben habe (I, S. 552), mit der gewöhnlichen Halbrasse L. vul- garis hemipeloria gekreuzt, und zwar zu wiederholten Malen, nament- lich in den Jahren 1896 und 1897. Die Nachkommen, von denen ich weit über neunhundert in voller Blüthe untersuchen konnte, waren sämmtlich nur hemipelorisch, vielleicht etwas stärker als die betreffende Stammform, aber doch stets höchstens mit ganz vereinzelten pelorischen Blüthen.

Kreuzt man eine Varietät einer Art mit einer anderen Art, so verschwindet im Bastard in der Regel das Varietätsmerkmal. Dem- zufolge sind die Bastarde verschiedener Varietäten einer Art mit einer zweiten Art häufig unter sich völlig gleich, wie es z. B. GÄRTNER in mehreren künstlichen Bastardirungen in der Gattung Nicotiana fand. Lychnis vespertina glabra verliert bei Kreuzungen mit L. diurna den Mangel der Behaarung, die Bastarde sind behaart wie diejenigen von L. vespertina selbst mit L. diurna.?

Schliesslich haben wir einige Ausnahmen von der Regel der Prävalenz der älteren Eigenschaften zu erwähnen. In dem Vorder- grund stehen hier die Fälle, wo dasselbe Merkmal bei einigen Kreu- zungen dominirt, bei anderen aber nicht. Doch sind solche Fälle sehr selten. So sind nach PFTER die Stolonen von Hieracium Pilo- sella bei Kreuzungen dominirend, diejenigen von H. flagellare aber re-

! C. C. Hurst, Journ. Roy. Hortic. Soc. April 1900. Vol. 24, p. 97. ®? Cu. Naupın, Nouwvelles recherches. 1869. 8. 137. ® Journ. Roy. Hort. Soc. Vol. 24, April 1900.

40 Die einfachen Bastarde erster Generation.

cessiv (zurücktretend).! So prävalirt bei Weizenkreuzungen die Be- haarung der Aehren von Triticum turgidum über die Nacktheit der Aehren des Squarehead, während der unbehaarte sächsische Land- weizen in dieser Eigenschaft gegenüber Tritieum turgidum (im Beson- deren Rıverr’s bearted) vorwaltet. Hordeum trifurcatum, die Nepaul-,

Fig. 7. Hordeum trifurcatum, Gabel- oder Löffelgerste. Ein einzelnes Seitenährchen, A von der Rückseite, B von der Innen-

Fig. 6. Hordeum trifurcatum, die Nepaul-, Gabel- oder Löftelgerste (dreireihige Sorte). Die Sorte ist seit alten Zeiten völlig constant, aber in der Länge der Anhängsel ihrer äusseren Spelzen sehr va- riabel.e. Diese sind am Gipfel monströs dreizackig, die Zacken sind häutig, nicht starr wie Ge- treidenadeln ; dermittlereZacken ist kapuzenförmig.

seite gesehen, schematisch. Jede der drei Klappen hat in ihrer Achsel einenormaleBlüthe. Jede ist aber in ihrem oberen Theile rückwärts umgebogen und bildet eine Art Löffel, in dem wie- derum eine kleine Blüthe stehen kann. Diese Blüthen sind bis- weilen normal ausgedildet, meist mehr oder weniger rudimentär und in hohem Grade variabel.

Gabel- oder Löffelgerste (Fig. 6 und 7), eine in gewissen Gegenden im Grossen cultivirte, aber in der Ausbildung ihrer Spelzen monströse Sorte,? welche dadurch den Eindruck macht eine jüngere Form zu

1 A. PETER, ENGLER’s Jahrbücher. V, S. 223.

Vergl. W. Rınpav, Kreuzungsprodukte landwirthschaftlicher Culturpflanzen. a. a. 0. S. 21 und L. Wırrmack, Neue Gersten- Kreuzungen. Berichte d. d. bot. Ges. Bd. IV, 1886. S. 433. Vergl. ferner Racızorskı, Bull. Acad. Se. Cracovie. Jan. 1902.

Die Präpotenz der phylogenetisch älteren Eigenschaften. 41

sein, prävalirt dennoch in manchen Kreuzungen gegenüber den Sorten ohne Kapuzen. Ich führe als Beispiel Rımpav’s Kreuzung von STEUDEL’s Gerste und Gabelgerste an.! „SrEupEr’s Gerste ist eine zweizeilige, bespelzte, begrannte Gerste, deren Seitenährchen nicht, wie bei vielen zweizeiligen Formen, männliche Blüthen tragen, sondern zu schwachen Rudimenten verkümmert sind. Die Gabelgerste ist eine vierzeilige, nackte, grannenlose weisse Gerste, welche statt der Grannen das eigenthümliche dreigabelige Gebilde (Kapuze) trägt. Die Kreuzung gelang vortrefflich. Die erzielten Körner etwa 15 brachten eine grosse Menge Aehren, welche einander so gleich waren, wie die der konstantesten Sorte: das Produkt der Kreuzung war eine zweizeilige bespelzte, grannenlose, mit der Kapuze der Gabel- gerste versehene schwarze Gerste.“?

Einen sehr interessanten Fall bildet die Kreuzung des bedeckt- samigen Mais mit den gewöhnlichen Sorten. Ersterer wurde von St. HiGLATRE in Süd-Amerika entdeckt und wegen der Spelzen, welche die Körner einschliessen, als die ursprüngliche Stammform des Mais betrachtet.” Er nannte sie Zea Mays tunicata, während Bonarovus ihr den Namen Zea Mays cryptosperma gab, beide Namen beziehen sich auf dieselbe Eigenthümlichkeit (vergl. die Fig. 15 im ersten Bande S. 44). Der‘ Umstand, dass der Mais mit seinen nackten Körnern unter den Gramineen allein steht, deutet darauf hin, dass er von einer bespelzten Form abstammt; daraus folgt aber noch keineswegs, dass der jetzige Spelzen-Mais diese Urform sei. Anfangs glaubte Sr. HıLAıke, dass dieser Typus in den Wäldern von Paraguay spontan vorkam; aber diese Meinung hat sich nicht bestätigt, vielmehr wird er seit ur- alten Zeiten in Brasilien cultivirt. Hier führt er den Namen Pinsi- gallo, Hühnermais. Je nachdem man nun den Spelzenmais als eine neue Varietät oder als den Urtypus betrachtet, wird man das Resultat der Kreuzungen verschieden auffassen. In ihnen zeigt sich die Nackt- samigkeit als dominirend,* und dieses spricht also, in Verbindung mit der allgemeinen Regel, gegen die Ansicht von Sr. HiLAıke.

Aehnlich verhält es sich mit der Kreuzung des weissblüthigen

' Würden vielleicht, bei grösserem Umfange des Versuches, die Bastarde theils Gabelgerste sein, theils nicht? Vergleiche unten die Kreuzungen von Papaver somniferum polycephalum und diejenigen gefüllter Blumen.

® a. a. O. 8.21. Hier und bei Rünker, Getreidezüchtung, 1889 auch die übrige Literatur über ähnliche Bastardirungen. Die beiden Eltern und der Bastard sind a. a. D. auf Taf. X, Fig. 101—103 abgebildet.

® ALPH. DE CanvoLze, Sur Vorigine des plantes cultivees. 1883. $S. 316.

= Ber. d. d. bot.. Ges. 1900. Bd. XVII. S. 85.

42 Die einfachen Bastarde erster Generation.

Stechaptels, Datura Stramonium, mit der blauen Form D. Tatula, welche letztere häufig als Varietät zu der ersteren! gerechnet wird (vgl. Bd. I S. 22 Fig. 5, und S. 119 Note 2). Die Kreuzung ist von GÄRTNER, NAUDIN und mehreren anderen Forschern ausgeführt worden und giebt stets Bastarde mit blauen Blüthen wie diejenigen der D. Tatula. Es spricht dieses dafür, dass letztere die Art, und Stramonium die Varietät sei, doch komme ich hierauf im nächsten Paragraphen zurück.

Aus meiner eigenen Erfahrung nenne ich schliesslich als anschei- nende Ausnahme den Umstand, dass in der Kreuzung von Oenothera cruciata Nutt. mit der offenbar älteren O. biennis die braunrothe Farbe des Laubes der ersteren völlig auf die Bastarde übergeht. Die Bastarde haben die Tracht der biennis, aber die Farbe der erueiata.?

$ 5. Der Atavismus bei den Bastarden. Tafel I.

Hat die Frage nach der Präpotenz der phylogenetisch älteren Merkmale eine hohe Bedeutung für die Lehre von der natürlichen Verwandtschaft, viel wichtiger ist offenbar die Thatsache, dass bis- weilen an den Bastarden Eigenthümlichkeiten zur Schau gelangen, welche keine von den beiden Elternarten besitzen, welche aber, allem Anscheine nach, ihre Vorfahren einmal gehabt haben können. Denn ist diese Auffassung richtig, so gestatten uns die betrefftenden Erschei- nungen offenbar einen viel tieferen Einblick in die stammesgeschicht- lichen Beziehungen, als es die im vorigen Paragraphen behandelten Beispiele thun.

Eine solche Wiederholung vorelterlicher Eigenschaften nennt man, mit einem in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts dazu von Duchesne gebildeten Worte, Atavismus.” Allerdings hat diese Bezeich- nung später im Gartenbau einen anderen Sinn erhalten, indem die meisten Fälle von anscheinender Rückkehr zu den Voreltern durch zu-

! So z.B. von Kocu in der Synopsis Florae Germanicae et Helveticae. 8. 442. D. Stramonium L. $chalybea = D. Tatula L. Dagegen sagt DE ÜANDoLLE in seiner Geographie botanique raisonnee. Vol. II, S. 733: In Amerika ist D. Tatula L. etwas häufiger als Stramonium, und „Si c'est la meme espece, elle laurait preeede, Je suppose“* Die ganze Frage ist hier, sowie auch von Gopron (Memoires de l’Academie de Stanislas. 1862, p. 232 und 1865, p. 330) ausführlich behandelt worden.

* Vergl. unten, $ 13 des zweiten Abschnittes.

° SAGERET, (onsiderations sur la production des hybrides. Ann. Se. nat. Vol. 8. 1826. 8.298. Vergl. auch GÄRTNER, a. a. 0. S. 438.

Der Atavismus bei den Bastarden. 43

fällige, nicht vermuthete Kreuzungen verursacht werden. Aber seit Darwin wird das Wort doch wieder allgemein in seiner ursprüng- lichen reinen Bedeutung angewandt.

Einen unmittelbaren Beweis für die Auffassung einer Erschei- nung als Atavismus wird man offenbar nur in jenen äusserst seltenen Fällen liefern können, wo die Abstammung der betreffenden Formen durch die directe Beobachtung gesichert ist. Solches leisten die aus Oenothera Lamarckiana neu entstandenen Arten, und einen Fall eines solchen Atavismus nach Kreuzung stellt uns die Tafel I dar. Kreuzt man Oenothera lata mit O. nanella, so erhält man in der ersten Gene- ration, also aus den durch die Kreuzung gewonnenen Samen sofort die drei Typen, welche unsere Tafel abbildet. Ein Theil der Bastarde hat die Kennzeichen der Mutter, ein Theil jene des Vaters, die übrigen aber sind zu der Form der grossmütterlichen Art, des ge- meinschaftlichen Vorfahrens der beiden Eltern, zurückgekehrt. Sie haben alle Merkmale dieser Eltern verloren, und stellen rein den Typus der O. Lamarckiana dar, haben selbst dessen Fähigkeit zu mu- tiren nicht eingebüsst. Solche Atavisten kommen in jedem Kreuzungs- versuch zwischen den beiden genannten neuen Arten vor, und zwar in etwa einem Drittel der Individuen. Sie lehren oftenbar, dass die Eigenschaften der ©. Lamarckiana ın O. lata und O. nanella nicht ver- loren gegangen, sondern nur latent geworden sind.!

In etwas anderem Sinne kommt Atavismus bei vielen Bastarden in der zweiten und den späteren Generationen vor, falls sie zu den- jenigen Eigenschaften der ursprünglich gekreuzten Sorten zurück- kehren, welche an den Hybriden in der ersten Generation nicht sicht- bar waren (vergl. unten). Hier aber beschränke ich mich, wie bisher stets, auf die erste Generation selbst.?

Das bekannteste Beispiel von Bastard-Atavismus bietet die Blüthen- farbe der Stechäpfel, Datura, welche am Schluss des vorigen Para- sraphen schon kurz berührt wurde. Es handelt sich um einen Ver- such von Naupıx vom Jahre 1863, welchen dieser folgendermaassen beschreibt:? Datura laevis und D. ferox sind zwei weissblüthige, sonst aber von einander möglichst verschiedene Arten. Als diese in den beiden reciproken Verbindungen gekreuzt wurden, erhielt NaupDın 60 Individuen von D. laevis x ferox und TO von D. ferox X laevis.

! Vergl. für ausführlichere Beschreibung dieser Versuche den III. Abschnitt.

? Ueber Atavismus bei Bastarden unter den Thieren vergl. ausser den oben eitirten Werken von Staxnprtss und Anderen, namentlich J. Cossar EwaArT, Presi- dential Address. Brit. Assoc. Sept. 1901.

® Annales des Sc. nat. 1865, 5. Serie, T. IH. p. 155.

+4 Die einfachen Bastarde erster Generation.

Diese 130 Ptlanzen wuchsen sehr kräftig und waren unter sich völlig gleich, namentlich war zwischen den beiden Gruppen aus den ent- gegengesetzten Kreuzungen kein Unterschied zu sehen. Alle diese Exemplare hatten aber braunrothe Stengel und Zweige und blassblaue Blüthen, ähnlich wie die D. Tatula. Als die Kreuzung im nächsten Jahre wiederholt wurde und von den reciproken Verbindungen 36 und 39 neue Abkömmlinge blühten, war das Ergebniss das gleiche. Diese Thatsache deutet offenbar darauf hin, dass wenigstens bei einem der beiden Eltern die blaue Farbe im latenten Zustande vorhanden sein muss, und diese Auffassung fand ihre Bestätigung in dem Um- stand, dass wenigstens bei D. ferox noch geringe Andeutungen der latenten Eigenschaft beobachtet werden konnte. Denn hier findet man bei der Keimung die hypocotylen Glieder mehr oder weniger bräun- lich, mit derselben Farbe also, welche dieses Organ bei den blau- blühenden Sorten zu haben pflegt. Diese letzteren, z. B. D. quereifolia würden somit den älteren Typus in der Gattung bilden, von welchem die weissblühenden Arten in ähnlicher Weise abzuleiten wären, wie die zahllosen weissblühenden Varietäten der meisten blau oder roth blühenden Pflanzen.

Atavismus nach Kreuzungen ist bei wildwachsenden Arten im Allgemeinen sehr selten, während er bei cultivirten Sorten mehrfach, wenn auch nicht gerade häufig beobachtet wurde.! So fand WıcHurA in seinen Weidenkreuzungen niemals Beispiele, während Naupis, der vorzugsweise cultivirte Arten untersuchte, die Neigung zum Atavismus als sehr verbreitet betrachtet. Darwıv hat aus der von ihm sorg- fältig zusammengestellten Literatur nachgewiesen,? dass, wenn an- scheinend neue Eigenschaften bei Kreuzungen entstehen, solche wohl immer nur Rückschläge auf vorelterliche Eigenthümlichkeiten sind.’

Die Angaben der Gärtner enthalten sehr viele Beispiele von so- genannten Rückschlägen, aber hier handelt es sich dann meist um mehrfache Kreuzungen, in denen wenigstens eine der gekreuzten Sorten bereits ein Bastard war. Treten dann in den neuen Hybriden die Merkmale der ursprünglich gekreuzten Grosseltern oder Urgross- eltern wieder rein auf, so ist solches offenbar eine Erscheinung, welche besser zum Atavismus in den späteren Generationen zu rechnen ist.

Aus den in der Literatur zerstreuten Beispielen hebe ich noch die folgenden hervor. Hybriden zwischen einjährigen Arten von Pa-

! Darwın, Animals and Plants under domestication. 11, S. 24—25.

®?]. c. II, S. 77; ebenso GäÄRTXER a..a. O. S. 255 und 295, und Focke, Pflanzenmischlinge. S. 486.

Der Atamismus bei den Bastarden. 45

paver sind bisweilen perennirend (Goprox), während solche von Pepo Citrullus nach SAGERET bisweilen Varietäten hervorbrachten, welche seit langer Zeit verschwunden waren. Auch wäre hier zu erwähnen, dass in den Bastarden der Runkelrüben in der zweiten Generation nach Rımpau (a. a. O. S. 39) Farben und Gestaltungen der Wurzeln auftreten können, welche sich bei keiner der elterlichen Formen finden. Die meisten Beispiele liefern aber die Blüthenfarben,! wie FockE nach- wies (a. a. O. S. 474). Blendlinge von Papaver somniferum und von Datura Stramonium haben manchmal Eigenschaften, welche nicht den Stammformen, sondern anderen Rassen derselben Art zukommen.? Nieotiana rustica X paniculata zeigt zuweilen die Blüthenfärbung der N. Texana, einer fremden Unterart der N. rustica.

Während alle diese Fälle vereinzelt dastehen, und die Möglich- keit einer anderen Erklärung z. B. aus der Bastardnatur der für reine Arten genommenen Eltern nicht völlig ausgeschlossen erscheint, ® liegen in den ausgedehnten Untersuchungen PErEr’s Erfahrungen über Atavismus vor, welche diese Erschemung wohl über jeden Zweifel er- heben.* Er sagt: Wenn Merkmale zwar nicht an den Eltern der Bastarde selbst, aber an denselben nahe verwandten Formen beobachtet werden, so kann man dieselben als Rückschläge auffassen. Denn jeder der Bastardeltern ist mit den zunächst stehenden Formen gleicher Abstammung, und ihre gemeinsamen Vorfahren besassen ebenfalls schon das fragliche Merkmal. Solche Rückschläge wurden bei 54 der von PETER aufgeführten Bastarde beobachtet, und in einer aus- führlichen Tabelle zusammengestellt.

Im Ganzen scheinen mir die gut beglaubigten Fälle von Atavis-

! Ueber die Wiederherstellung zusammengesetzter Eigenschaften durch Kreuzung ihrer Componenten und den so erzielten Atavismus vergl. unten, bei Antirrhinum majus, Abschnitt Il, S 14.

?2 Nach meinen eigenen Erfahrungen bei Papaver somniferum trat solches gleichfalls nicht selten ein, aber am meisten, wenn ich Exemplare aus nicht von mir selbst gereinigten Culturen kreuzte. Es deutet somit wohl auf Bastardnatur in einer der zur künstlichen Verbindung benutzten Eltern hin.

3 So erhielt ich z. B. aus der Kreuzung von Oenothera Lamarckiana mit Oen. erueiata Nutt., unter mehreren Hunderten von Bastarden in der ersten Gene- ration einige Exemplare mit dem Typus der Oen. biennis, des vermuthlichen gemeinschaftlichen Vorfahren. Ich möchte darin aber eher eine Mahnung sehen, an die Reinheit meiner Oen. eruciata zu zweifeln, als einen exakten Beweis für Atavismus. Vergl. weiter unten $ 13.

4 A. PETER in ENGLER’s Jahrbücher, Bd. V, a. a. O. S. 225. Unter PETERr’s Beispielen sind auch mehrfache Bastarde mit Rückschlägen auf die nachweis- lichen Eigenschaften der gekreuzten Sorten aufgenommen.

46 Die einfachen Bastarde erster Generation.

mus bei Bastarden erster Generation aus nachweislich reinen Eltern äusserst selten zu sein.

Schliesslich sei erwähnt, dass ternäre und mehrfache Bastarde von Hieraeium nach PETER (a. a. O. S. 231) oft ungefähr einen An- blick darbieten, wie man ihn aus phylogenetischen Gründen für ältere Stammsippen der Piloselloiden erwarten würde, ohne aber dabei das Bild der vermuthlichen Vorfahren vollständig zu reproduciren.

$ 6. Die Variabilität der Bastarde.

Bastardirung ist der mächtigste Hebel der Variabilität im Garten- bau. Zählen die Formen innerhalb einer Gattung bei Hunderten und Tausenden, und wetteifern sie mit einander in der Ueppigkeit der Gestalten und m der Pracht der Farben, so verdanken sie solches wohl stets den künstlichen Kreuzungen. Bringt jedes Jahr in einzelnen Gruppen eine Reihe neuer Errungenschaften, so sind die Einfuhren von im Freien neu aufgefundenen Arten, oder die spontan in den Gärten aufgetretenen Mutationen dabei nur in sehr untergeordneter Weise betheiligt; die Kreuzungen sind es, welche die Gattung hoch halten, welche sie den stets steigenden Anforderungen unseres Kunst- sinnes immer nachkommen lassen.

Aber die Gärtner beschränken sich nie oder doch fast nie auf einfache Kreuzungen und primäre Bastarde. Diese sind ja zu ein- förmig, denn jede Kreuzung liefert meist nur eine einzige Verbindung zwischen den Eltern. Die so sehr gewünschte Vielförmigkeit pflegt erst in der zweiten Generation einzutreten, sei es, dass bei Selbst- befruchtung die Merkmale sich trennen, um sich in den verschieden- sten Weisen zu combiniren, sei es, dass der Bastard wiederum mit dem Pollen seiner Eltern befruchtet wird, sei es endlich, dass man den Bastard mit einer dritten und vierten Art verbindet.

Diese letzteren, die doppelten und mehrfachen Kreuzungen sind die wahre Quelle der Variabilität; ohne diese würde die ganze Me- thode nie ihre jetzige hohe Bedeutung errungen haben.

Unsere Aufgabe in diesem Paragraphen beschränkt sich aber auf die Variabilität der einfachen Hybriden erster Generation. Hier ver- hält sich die Sache ganz anders. Hier sind die Bastarde in der Regel nicht wesentlich „variabler“ als die elterlichen Sorten. Ein- förmigkeit ist die Regel, Variabilität und Pleiomorphie sind die Aus- nahmen.! Dieser Satz wurde von fast allen Forschern aufgestellt

! Hier wie überall würde voraussichtlich eine eingehende Kritik die Anzahl der Ausnahmen wohl noch erheblich einschränken.

Die Variabilität der Bastarde. 47T

== 2

und anerkannt, und von FockE als erster und Hauptsatz in der Bastardlehre ausführlich formuliert und begründet.!

Bei der Besprechung dieses Satzes vom Standpunkte der Muta- tionstheorie sind zwei Punkte stets aus einander zu halten. Ich meine die fluktuirende Variabilität der einzelnen Merkmale, und die Wechsel- wirkung der von je einem der beiden Eltern geerbten und im Bastard verbundenen Eigenschaften.

In Bezug auf ersteren Punkt ist zunächst fest zu stellen, dass die einzelnen Eigenschaften bei der Kreuzung mit ihrer vollen in- dividuellen Variabilität vererbt werden, genau ebenso gut wie bei der normalen Befruchtung. Nur ist dabei zu berücksichtigen, dass ganz gewöhnlich die Eltern weniger genau, oder in einer geringeren Anzahl von Individuen untersucht zu werden pflegen, wenn es sich um sehr fruchtbare Kreuzungen handelt. Im entgegengesetzten Falle ist man oft zufrieden, wenn man ein einziges Bastardindividuum erhält oder zwei oder doch nur wenige. Offenbar wird man aber die gewöhn- liche Variabilität um so höher veranschlagen, je mehr Exemplare man mit einander vergleicht, und daher scheinen das eine Mal die Bastarde mehr, das andere Mal weniger variabel als ihre Eltern su sein. Hierauf mag es auch wohl zu einem wesentlichen Theile beruhen, dass die Bastarde von einigen Autoren im Allgemeinen als sehr variabel, von anderen aber als sehr constant betrachtet werden.

Das beste Material zu Untersuchungen bilden hier die constanten Bastardrassen, da man diese in willkürlichen Anzahlen von Individuen leicht und ohne Mühe cultiviren kann. Sie verhalten sich im Allge- meinen nicht mehr oder nicht weniger variabel als gewöhnliche Arten. Hat aber der eine ihrer Eltern eine ganz auffallend variable Eigen- schaft, so geht diese mit ihrem vollen Abänderungsspielraum auf den Bastard über. Indem ich für die constanten Bastardrassen auf einen späteren Paragraphen verweise ($ 8), beschränke ich mich hier auf ein einzelnes Beispiel, welches sich an eine im ersten Bande (S. 98) be- sprochene und abgebildete Rasse anschliesst. Ich meine das Papaver somniferum polycephalum des Handels. Dieses habe ich, wie später noch ausführlich zu erörtern sein wird, mit dem P. s. Danebrog ge- kreuzt, welches weisse statt schwarzer Herzflecken auf den Blumen- blättern trägt. Das Ergebniss war eine constante Rasse: P. s. poly- cephalum Danebrog. Diese aber wies in Bezug auf die Nebenfrüchtchen, welche durch die Umwandlung der Staubfäden entstehen, genau den- selben Grad von Variabilität auf wie die Urform. Halbgefüllte Kränze

! Focke, Die Pflanzenmischlinge. S. 469.

45 Die einfachen Dastarde erster Generation.

bildeten die Mehrzahl; je voller einerseits die Füllung und je weniger zahlreich andererseits die abnormalen Gebilde waren, auf um so weniger Individuen kamen sie vor. Aus demselben Grunde lassen sich solche constante Bastardrassen auch durch stetige Selection ver- bessern, genau in derselben Weise wie andere, reine Typen. Jeder- mann kennt die prachtvollen grossblumigen Varietäten von Canna, welche namentlich von CUrozy in Lyon erzeugt wurden. Die culti- virten Canna aber sind Bastarde, wie wir unten sehen werden, aber ihre Petalen sind jetzt fast doppelt so lang und viel breiter als die- jenigen der ursprünglich gekreuzten Arten.

‘Neben dieser einfachen Huktuirenden Variabilität kann, wie gesagt, auch noch eine zweite vorkommen. Ich meine den Fall, dass die elterlichen Merkmale in den einzelnen Individuen (bezw. Organen) in ungleicher Weise mit einander verbunden sind. Hier ist somit die Präpotenz der betreffenden Eigenschaften keine constante Grösse, man könnte vielmehr behaupten, dass diese Variabilität der Hybriden auf einer schwankenden Prävalenz beruhe. Dementsprechend werden die einen mehr dem Vater, die anderen mehr der Mutter ähn- lich sein. Verbindet man die Eltern, wie wir es oben S. 20 ver- sinnlicht haben, durch eine Linie, so gruppiren sich diese Bastarde nicht um einen, sondern um zwei oder mehrere Punkte auf dieser Linie.! Diese schwankende Prädominanz kann nun entweder indivi- duell, oder partiell auftreten, d. h. sie kann Verschiedenheiten zwischen Individuen, oder zwischen den gleichnamigen Organen eines und des- selben Individuums bedingen. Offenbar ist die partielle Variabilität die am meisten auffallende, und namentlich die am leichtesten zu demonstrirende. Aus diesem Grunde wollen wir von ihr zunächst einige Beispiele anführen. Ich fange mit zwei Fällen an, welche jeder leicht selbst cultiviren und controliren kann.

Das erste Beispiel ist Salix aurita + purpurea, und die zu be- handelnde Eigenschaft ist die Gabelung der Staubfäden. Dieser Misch- ling kommt im Freien häufig zwischen den Eltern vor, und wurde von Wimmer, Wıchura und Anderen beschrieben. Ich fand ihn in einigen wenigen Exemplaren in der Nähe des Dorfes Vogelenzang unweit Haarlem, und pflanzte Stecklinge im Jahre 1891 im botanischen Garten zu Amsterdam, wo sie zu kräftigen Sträuchern heranwuchsen, welche alljährlich reichlich blühen und die in Fig. 8 abgebildete Viel- törmiekeit der Blüthen zeigen. Die Verbindung 8. aurita + purpurea ist allerdings von Wiıchura nicht künstlich gemacht worden, wohl

ı C©. CorrEns, Ber. d. d. bot. Ges. Bd. XIX. 1901, Generalvers.-Heft, S. 79.

Die Variabilität der Bastarde. 49

aber 5. purpurea X einerea und S. purpurea X viminalis (a. a. O. S. 12). WıIcHURA äussert sich darüber folgendermaassen (a. a. O. S. 46): S. purpurea hat zwei Staubblätter, deren Filamente und Antheren so mit einander verwachsen sind, dass sie nur ein Filament und eine vierfächrige Anthere darzustellen scheinen. Die Staubblätter der übrigen europäischen Weiden sind dagegen frei, und nur S. incana macht eine Ausnahme hiervon, indem ihre Staubblätter vom Grunde bis zur Hälfte hinauf verwachsen sind. Bildet nun S. purpurea mit

Fig. 9. Salix aurita + purpurea, Gabelung der Staubfäden der Blüthen eines einzelnen Kätzchens. a Zwei nahezu freie Staubfäden,

Fig. 3. Salix aurita + purpurea. Zweig- annähernd an $. aurita, b, c, d Zwischen- lein mit blühenden männlichen Kätzchen. stufen, e beide Staubfäden fast völlig ver- Botan. Garten, Amsterdam. April 1900.! wachsen, annähernd an $. purpurea.

einer der anderen Weiden einen Bastard, so sind die Staubfäden des- selben am unteren Theile verwachsen, während sie am oberen frei sind und zierlich gabelförmig auseinander gehen. In den Pflanzen des Amsterdamer botanischen Gartens schwankt der Grad dieser Verwachsung nun sehr stark (Fig. 9); die meisten Blüthen zeigen allerdings eine Vereinigung bis zur Hälfte (Fig. 9c), daneben stehen aber andere, welche mehr zur S. aurita (Fig. 9 a, b) bezw. zur S. pur- purea (Fig. 9 d, e) hinneigen. Ferner beschreibt Wıchura noch „Pflanzen mit schwankender Narbenstellung“, wenn diese Stellung in

! Dieser merkwürdige Bastard lässt sich leicht durch Stecklinge vermehren und ist im Tauschverkehr der botanischen Gärten erhältlich. DE Vrıes, Mutation. I. 4

50 Die einfachen Bastarde erster Generation.

den beiden Eltern des Bastardes eine verschiedene ist, z. B. Salix triandra + viminalis.

Mein zweites Beispiel ist der käufliche Bastard Berberis Neuberti (Fig. 10), der eine hybride Verbindung! sein soll von Mahonia aqui- folia (Fig. 11) und Berberis vulgaris (Fig. 12).

ürstere Art hat gefiederte Blätter, die letztere aber einfache. Am Bastard findet man meist einfache Blätter; diese tragen aber die stärkere Bewaffnung der Maho- nia. Einige Blätter sind gefiedert, meist nur dreizählig, bisweilen gestielt (Fig. 105), bisweilen sind die drei Blättchen eines Blattes zusammen sitzend (Fig. 10 a), seltener fand ich fünfzählige. Die Blätter schwanken also ziemlich stark zwischen den Merkmalen der Eltern, ohne aber deren Typus zu erreichen. Bei der Berberitze sind die nor- malen Blätter durch dreispitzige Dornen ersetzt, in deren Achseln die eigentlichen Blätter an Kurz- trieben sitzen; beim Bastard fehlt diese Eigenschaft, welche Fig. 10. Berberis Neuberti = Mahonia aqui- Ja offenbar eine Jüngere ist. Die folia + Berberis vulgaris, ein Gattungsbastard. Neuberti-Berberitze wird bei uns Die moon Ber Ania und dog, haufig eultivirt, sie ist grösser am Grunde der Sprosse gestielt dreizählig (2,c). und stärker als die Mahonia

und verliert, wie diese, ihre Blätter im Winter nicht. In dieser Beziehung stimmt sie also mit den oben (S. 36) besprochenen WEBBER’schen Citrus-Bastarden überein.

Einen sehr schönen Fall partieller Variabilität bildet HıLDEBRAND für die Blätter eines von ihm gewonnenen Bastardes zwischen Cha- maedorea Schiedeana und Ch. Ernesti Augusti ab.” Die Blätter der ersteren Art sind gefiedert, diejenigen der letzteren einfach; der Bas- tard trägt nun alle Uebergänge zwischen diesen beiden Grenzen, und

I Gardener’s Chronicle, 26. Juni 1886. S. 815, Fig. 825. ® F.HırLpEgranD, Ueber einige Pflanzenbastardirungen. Jen. Zeitschr. Bd. XXIII. 1889. Taf. XXV.

Die Variabilität der Bastarde. 51

zwar oft auf demselben Individuum; die Blätter sind in der unteren Hälfte mehr oder weniger stark gefiedert, im oberen Theil aber ganz. Auch einige Piloselloiden-Bastarde variiren nach PETER partiell. Das- selbe gilt von anatomischen Merkmalen. So bildet MiLLARDET eine Reihe von Zwischenstufen in den Spaltöffnungen der Blätter von Vitis York-Madeira, einen Bastard von V. aestivalis und V. labrusca ab,! und beschreibt MACFARLANE? die schwankenden Eigenschaften der Chromo- plasten in Geum intermedium (G. urbanum X rivale) und in Saxifraga Andrewsii (= 5. Aixoon + 8. Geum).

Einen anscheinend vereinzelt dastehenden Fall? bilden die von Hınpesrann abgebildeten Blumenblätter der Bastarde zwischen Oxa-

Fig. 12. Berberis vulgaris, Fig. 11. Mahonia aquifolia, Blatt. beblätterter Zweig.

lis articulata und O. lasiopetala, welche auf je zwei Feldern die beiden elterlichen Farben violett und rosenroth mit scharfer Trennung neben einander zeigen. Dabei wechselt die Grösse der Felder in allen Graden, bald ist das rosenrothe das grösste, bald das violette, bis- weilen bis zum nahezu vollständigen Ausschluss des anderen.*

! A. MitLArDET, Mem. Soc. Se. phys. et nat. Bordeaux. T. IV (4. Serie). 1894. S. 28. ®2 J. M. MaAcFARLANE, The minute structure. a.a. O0. S. 272. ® Die Bastarde gestreiftblumiger Sorten, und die Frage, ob aus ungestreiften Sorten durch Kreuzung gestreifte Bastarde erhalten werden können, bedürfen meiner Meinung nach einer kritischen Bearbeitung sehr. (Vergl. weiter unten.) = a. 3. 0. Tafel XXVI, Fig. 21. 4*

52 Die einfachen Bastarde erster Generation.

Wir kommen jetzt zu den Beispielen individueller Variabilität bei den Bastarden, und fassen auch hier das Vorwalten einzelner be- stimmter Typen unter den Hybriden aus derselben Kreuzung ins Auge. MEnDEL und PETER fanden bei den Piloselloiden (a. a. O. S. 223), dass die Bastarde manchmal einzelne Merkmale besitzen, welche bei den einen Individuen mehr gegen die eine Stammform, bei anderen Exemplaren mehr gegen die andere Elternform hinneigen, bei noch anderen mehr die Mitte inne halten. Jedes Exemplar kann eine etwas andere Stelle des vereinigten Formenkreises gewisser Merk- male verwirklichen." Manchmal schwankt das Bastardmerkmal zwischen den durch die Eltern gegebenen Extremen von einem derselben bis zum andern, manchmal bewegt es sich innerhalb engerer Grenzen, bei- spielsweise vom einen Extrem bis zur intermediären Mischung. Ebenso zeigen die Bastarde von Oxalis rubella mit verschiedenen anderen Arten nach HiILpDEBRAND ein continuirliches Schwanken;? kein einziger glich genau weder dem Vater noch der Mutter, eben so wenig, wie ein Bastard dem anderen trotz der gleichartigen Erzeugung vollständig gleich war. Am meisten bekannt ist dieses Schwanken wohl bei der Sandluzerne, Medicago media = M. falcata X sativa, die in Süd-Deutsch- land und in anderen Ländern vielfach im Grossen angebaut wird und häufig verwildert vorkommt, und die ich selbst um Würzburg und bei Paris in allen ihren Formen beobachten konnte.” Dieser Bastard wird deshalb vorzugsweise cultivirt, weil er im Vergleiche zur einen seiner Stammarten eine gesteigerte Fruchtbarkeit zeigt. Denn M. fal- cata setzt nur vereinzelte Samen an, während M. media reichlich fruc- tificirt. Die Kreuzungsverhältnisse sind ausführlich und gründlich von Uran untersucht worden.* Er fand die beiden reciproken Misch- linge unter sich gleich, d. h. in denselben Einzelformen variirend. In der ersten Generation war etwa die Hälfte der Hybriden interme- diär, während die andere Hälfte sich der einen oder der anderen Stammart näherte. Die Blüthen waren in den verschiedensten Weisen gelb, grün und violett gescheckt.

Die hohe Variabilität der Bastarde liefert in solchen Fällen ein ähnliches Material für die künstliche Zuchtwahl, als die gewöhnliche

! Die Mexper’schen Hieracium-Bastarde sind von PFTer (a. a. O.) beschrieben und von Üorrens übersichtlich zusammengestellt worden. Ber. d. d. bot. Ges. XIX. 1901. Generalvers.-Heft, S. 75.

® HırpEgrAnD, a. a. 0. S. 493; dort auch Abutilon u. A.

% Kerner von Marıraun, Das Pflanzenleben. Il. S. 568 und Focke, Die Pflanzenmischlinge. S. 106.

* J. Ursan, Verh. d. Bot. Vereins Brandenburg. XIX. Sitzungsber. 8. 125.

Die Variabilität der Bastarde. 53

Variabilität bei den reinen Arten und Sorten. Allgemein findet man dementsprechend in der Praxis die Ueberzeugung, dass die Kreu- zungen nur dann eine wesentliche Bedeutung für die Production neuer Rassen haben, wenn sie von strenger Selection begleitet sind.! In landwirthschaftlicher Beziehung hat in dieser Richtung wohl Hays? in Minnesota am meisten geleistet, auf dem Gebiete des Gartenbaues aber BuRBANK® in Californien. Mancher neue Getreide- bastard erhöht jetzt in den mittleren Staaten Nord-Amerika’s den Er- trag der Aecker um bis 10°/,, und die vielen neuen, grossfrüchtigen und wohlschmeckenden Obstsorten BurBAnK’s sind gleichfalls der Beweis für die Vortrefflichkeit der Verbindung von Kreuzung und Selection.

Aber gerade hier zeigen sich am klarsten die Unterschiede zwischen den praktischen und den wissenschaftlichen Experimenten. Den ersteren gilt das Ergebniss als Ziel, den letzteren aber die Erforschung der Gesetze, nach denen die Ergebnisse erreicht werden. Die Selection erfordert ein möglichst grosses Material zur Auswahl;* wie aber das Material erhalten wurde, und ob es rein oder unrein ist, daran liegt nur wenig, denn durch die künstliche Wahl wird ohnehin alles Un- taugliche ausgeschieden. Kreuzen und Aussäen haben daher mög- lichst im Grossen zu geschehen. Reinheit der Kreuzbefruchtungen ist nur insoweit Bedingung, dass wenigstens ein bedeutender Theil der Samen wirklich gekreuzt sei. Und besser ist es, zu den Kreu- zungen Bastarde als reine Arten zu wählen, weil dadurch ja die Aus- sicht auf grössere Variabilität erhöht wird. Genau entgegengesetzt sind die Anforderungen des wissenschaftlichen Studiums. Denn hier kommt alles auf die Reinheit der Vorbedingungen und des Verfahrens an, hier handelt es sich um genaue und ausführliche Buchhaltung, um die getrennte Ernte der Samen für jedes einzelne, im Buche be- sonders bezeichnete und beschriebene Individuum. Solche anscheinend nutzlose wissenschaftliche Bemühungen haben aber die Grundlage für

172.B: T. Laxron, Journ. Roy. Hort. Soc. XII. 1890. S. 29.

® W. M. Hays, Wheat, varieties, breeding, eultivation. University of Minne- sota, Agrieultural Experimentstation. Bull. No. 62, March 1899.

® L. BurBank, New Creations in frwits and flowers. BURBANK’s experiment grounds. June 1893. Santa Rosa, California.

* Manche Züchter ziehen die Verbesserung reiner Rassen durch Zuchtwahl weit vor und behaupten, dass wenigstens für Europa durch Kreuzung fast nie etwas nur halbwegs Hervorragendes unter den Getreiderassen erhalten worden sei. So nach mündlicher und brieflicher Mittheilung Amtsrath Rımrau und Em. Rırter von Proskowerz. Derselben Meinung ist auch Graf Bere über Roggenzüchtungen. Vergl. Botan. Centralblatt, Bd. 46, 1891, Nr. 19, S. 183.

54 Die einfachen Bastarde erster Generation.

die späteren Experimente im praktischen Interesse zu bilden (W. M. Hays).

Die Variabilität der einfachen Bastarde erster (Generation ist keineswegs immer eine so continuirliche wie in den oben besprochenen Beispielen. Oft zeigen sich nur zwei oder drei, oder einige wenige schärfer umgrenzte Typen. Bisweilen ist der eine Typus in der Mehr- zahl der Individuen und der andere nur sehr selten vertreten. In solchen Fällen spricht GÄRTNER von Ausnahmstypen; es sehen dann einzelne Bastarde mehr dem Vater oder der Mutter ähnlich als ihre (Geschwister (a. a. O. S. 235). Das bekannteste Beispiel bildet Passi- flora racemosa x coerulea, ferner Lobelia fulgens X syphilitica, L. syphi- litica X cardinalis, u.s. w. Nur in Gattungen, welche überhaupt an Bastarden reich sind, beobachtete sie GÄRTNER. Auch spätere Forscher haben ähnliche Verhältnisse beschrieben, so z. B. MEnDEL für Hiera- cium! und NauDIn für Digitalis purpurea x lutea. Abutilon, Pista- cia, Lilium, Oxalis und Cirsium liefern weitere Beispiele.

Es scheint gestattet, hier auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass solche Fälle von Pleiotypie? sich vielleicht oft aus der vorher be- sprochenen continuirlichen Variabilität werden erklären lassen, wenn man annimmt, dass bei der geringen Samenernte, welche so viele Kreuzungen geben, besondere Typen gespart werden und andere nicht, wie solches bereits von MENDEL für Fleraeium vermuthet wurde. Für die Möglichkeit einer solchen Erklärung durch ungleiche Sterblichkeit spricht auch die von WıcHhuraA in Bezug auf das Verhältniss der männlichen und weiblichen Individuen bei Weiden und bei deren Bastarden gemachte Erfahrung. Während bei den reinen Arten aus den Samen stets etwa ebenso viele Männchen als Weibchen hervor- gehen, ist solches bei den Hybriden nicht der Fall. Hier walten die Weibchen vor; von mancher Verbindung hat WıcnurA überhaupt nur solche erhalten. In anderen Fällen kommen Männchen vor, aber selten. WrcHhurA schätzt das Verhältniss im Ganzen auf etwa eine männliche auf 20 weibliche Pflanzen (a. a. O. S. 44).

Schliesslich gelangen wir zu denjenigen hybriden Verbindungen, in denen eine sehr variabele Eigenschaft von einem der beiden Eltern

! Gresor Menper, Versuche über Pflanzenhybriden. Zwei Abhandlungen, 1865 und 1869. In Ostwaıv’s Klassiker der exacten Wissenschaften als Nr. 121 (1901) herausgegeben von Erıch TscHERMAK.

® Wenn man irrthümlicher Weise zu einer Kreuzung einen Bastard statt einer reinen Art verwendet, so ist die Aussicht auf Ditypie eine ziemlich grosse. Und dass solche Irrthümer vorkommen, weiss Jeder, der sich längere Zeit mit Bastardirungen beschäftigt hat.

Die Variabilität der Bastarde. 55

auf die Nachkommen übertragen wird.! Die gefüllten Blumen bieten dafür im Gartenbau ein gewöhnliches Beispiel, und ich selbst habe neben solchen das höchst schwankende Merkmal der Polycephalie von Papaver somniferum mehrfach auf sein Verhalten bei Kreuzungen geprüft.

Bei Kreuzungen gefüllter Blumen mit einfachen Sorten scheint es die Regel zu sein, dass die Füllung auf die Hybriden oder auf einige von ihnen übertragen wird, aber in sehr geschwächtem Grade. Oft

Fig.14. Gefüllter Flieder von LEMOINE.

Fig. 13. Syringa vulgaris X 8. vulgaris azurea Einzelne Blüthen der in Fig. 9 dar-

plena. Eine der von LEMOINE erzeugten gross- gestellten Traube, die verschiedenen blüthigen gefüllten Sorten. Arten der Füllung zeigend.

ist die Eigenthümlichkeit auf eine geringe petalodische Verbreiterung einzelner Staubfäden beschränkt, oft fehlt auch diese. Nur selten zeigen einige wenige Exemplare schöne Füllung. So fand ich es auch in meinen unten zu erwähnenden Kreuzungen mit gefüllten Varietäten des Mohns (Papaver somniferum). Doch bedürfen diese Erscheinungen noch sehr einer eingehenden und kritischen Prüfung. Die Angaben aus der Praxis des Gartenbaues sind meist Bedenken ausgesetzt ın

! Einige weitere Beispiele pleiomorpher Hybriden findet man in Horrmann’s Aufsätzen besprochen, z. B. Bot. Ztg. 1881, 8. 382,

56 Die Nachkommen der einfachen Bastarde.

Bezug auf die Frage, ob die erreichten Resultate nicht etwa Folgen wiederholter Kreuzungen waren. In dieser Beziehung sind jene künst- lichen Verbindungen noch am zuverlässigsten, bei welchen es sich um Bäume oder Sträucher handelt, welche erst mehrere Jahre nach der Aussaat blühen. Ich führe als Beispiel die jetzt in Gärten allgemein eultivirten gefüllten Fliedern an, welche von Herrn LEmomeE in Nancy gewonnen wurden." Nach seinen Angaben wurden in der ersten Ge- neration theils Pflanzen mit gefüllten Blüthen, theils einfache erhalten; die letzteren wurden nicht weiter beibehalten, die ersteren aber mög- lichst vermehrt und in den Handel gebracht (Fig. 13 und 14). Bei meinen Kreuzungen von Papaver somniferum polycephalum (Fig. 27 auf S. 98 des ersten Bandes) mit Varietäten ohne Polycephalie erhielt ich meist nur Hybriden ohne jede Spur von Nebenfrüchten (in 6 Ver- suchen), in zwei Versuchen fand ich aber 2 bezw. 22°/, der Exemplare im Besitze der Anomalie, wenn auch in ganz schwachem Grade, da nur etwa 1—3 Staubfäden pro Blüthe die Umwandlung erlitten hatten (vergl. unten).

Die Beobachtungen an gefüllten Blüthen und an Papaver sind namentlich deshalb wichtig, weil sie einfachere Kreuzungen betreffen als die meisten anderen. Es handelt sich nur um die Variabilität einer einzigen Eigenschaft, während sonst mehr complicirte Verhält- nisse vorliegen.

Ueberblicken wir die in diesem Paragraphen zusammengestellten Erfahrungen, so sehen wir, dass die Variabilität der Bastarde theil- weise unmittelbar von ihren Eltern ererbt wurde, theilweise aber die Folge ist von einer besonderen Art der Verbindung der Eigenschaften, welche in beiden Eltern verschieden waren. Obgleich diese Verbin- dung meist eine einförmige und feste ist, kann sie in einigen wenigen Fällen doch auch eine schwankende oder vielförmige sein.

II. Die Nachkommen der einfachen Bastarde.

$ 7. Die Fruchtbarkeit der Bastarde.

Zu den auffallendsten und bekanntesten, aber noch am wenigsten genau untersuchten Eigenthümlichkeiten der Mischlinge gehört ihre

! Vergl. den ersten Band S. 130: Kreuzungen zwischen gewöhnlichen Flie- dern und Syringa vulgaris azurea plena sind zu derselben Zeit auch im Jardin des Plantes in Paris von Cornu vorgenommen worden; hier gelangten aber die gewonnenen Samen durch besondere Umstände nicht zur Aussaat. Vergl. L. Henry im Journ. Roy. Hort. Soc. Vol. 24, April 1900. S. 218.

De U u

Dis Fruchtbarkeit der Bastarde. 97

häufig verminderte Fruchtbarkeit. Im Ganzen und Grossen hängt der Grad dieser Sterilität von der Verwandtschaft der Eltern ab, je näher diese sich standen, um so fruchtbarer pflegt der Hybride zu sein. Aber es giebt hier äusserst viele Unregelmässigkeiten und Aus- nahmen, welche darauf hindeuten, dass unsere Kenntniss von der natürlichen Verwandtschaft bei Weitem noch nicht ausreicht, die ganze Reihe der Erscheinungen aufzuklären und die richtige Fassung des bis jetzt nur vermutheten Gesetzes zu finden.

NÄgerı hat für diejenige Art der Verwandtschaft, welche sich unmittelbar in den Bastardirungsversuchen äussert, den Namen der sexuellen Affinität eingeführt. Es lässt sich die fragliche Er- fahrung dadurch so fassen, dass man sagt, dass systematische und sexuelle Affinität im Allgemeinen parallel verlaufen, aber mit vielen Abweichungen in den einzelnen Fällen. Die meisten Forscher gründen ihre Fassungsweise auf die jetzt geläufigen Grenzen zwischen Arten und Varietäten, und sprechen ihre Ansicht dahin aus, dass die Bas- tarde zwischen Varietäten, Rassen und Unterarten einer selben Art meist unter sich völlig fruchtbar, d. h. ebenso fruchtbar als die elter- lichen Sorten sind. Verwandte Arten sollen Hybriden mit wenig herabgesetzter, entferntere Arten solche mit stark verminderter Ferti- lität geben. Aber auch hier giebt es keinen Parallelismus, denn einerseits sind die anerkannten Ausnahmen noch immer zahlreiche, andererseits herrschen über die Abgrenzungen der Arten, Varietäten u. s. w. in den einzelnen Fällen noch stets die am weitesten aus ein- ander gehenden Meinungsverschiedenheiten.‘,

Die objective Darstellung der Thatsachen hat sich einstweilen auch hier möglichst von den conventionellen Grenzen der Systematik frei zu halten.

Aber auch die Thatsachen selbst reichen noch bei Weitem nicht aus. Die einfache Beobachtung, dass Hybriden bei isolirtem Stande, weit entfernt von ihren Eltern, keine Samen ansetzen, oder doch nur eine mangelhafte Ernte geben, genügt nicht immer, um ein Urtheil zu fällen. So habe ich z. B. im Sommer 1899 Oenothera biennis L. und O. muricata L. mit O. odorata Jacq." gekreuzt. Die Operation gelang sehr schwierig und gab auf vielen castrirten und „bearbeiteten“

! Diese Pflanze bezog ich von einem Handelsgärtner. Ist vielleicht der Name nicht völlig zuverlässig, so zeigten doch die Samen und die ganze Tracht, dass sie zu der Untergattung Euoenothera gehörte, also zu einer anderen Unter- gattung als die beiden Sorten, welche ich mit ihr kreuzte und welche zu Onagra gerechnet werden.

58 Die Nachkommen der einfachen Bastarde.

Blumen nur wenige Samen. Ich benutzte O. odorata als Mutter, be- fruchtete ihre Blumen mit dem Staub der beiden anderen Arten, und hatte im Sommer 1900 15 Pflanzen von O. odorata x biennis und 47 von O. odorata X muricata. In beiden Gruppen haben die meisten Exemplare sehr reichlich geblüht, aber alle Früchte sind zusammen- geschrumpft. Sie fielen nicht ab, sondern blieben als dünne Stielchen, ohne Spur von Samen, in den Achseln der Blätter, bis tief in den Herbst hinein. Die Hybriden waren sehr schöne empfehlenswerthe Pflanzen, welche den feineren Bau der Euoenothera mit den besonderen Merkmalen von O. biennis und O. muricata verbanden. In jeder der beiden Gruppen waren alle Exemplare unter sich gleich, mit der ge- wöhnlichen fluktuirenden Variabilität der Eltern. Die O. odorata x biennis verriethen ihre Herkunft durch grössere Blumen und breitere Blätter; diese Organe waren bei der O. odorata x muricata auffallend kleiner bezw. schmäler, den Merkmalen des Vaters entsprechend. Freie Befruchtung durch Insecten mit dem Pollen der Eltern sowie meiner sämmtlichen damaligen Culturen von ©. Lamarckiana nebst deren Abkömmlingen und Bastarden war ihnen gestattet; dennoch setzten sie auf vielen Hunderten von Blumen kemen einzigen Samen an.

Darf man aus einem solchen Versuch auf absolute Sterilität schliessen? Offenbar nicht, denn man kann nur behaupten, dass unter den Uulturbedingungen meines Versuchsgartens (sowohl für die Bastarde selbst als namentlich für ihre Eltern), von weniger als Hundert Exem- plaren kein Samen gebildet wird. Unter anderen Bedingungen, bezw. bei weit umfangreicherer Aussaat würde man wohl doch noch Samen erhalten, wenn auch nur wenige. Denn es ist ja bekannt seit Darwın’s schönen Untersuchungen, dass gerade die sexuellen Organe für die Lebens- lage am empfindlichsten sind, und leicht von Aenderungen in den äusseren Umständen oder von der Cultur derart beinflusst werden, dass die Frucht- barkeit darunter leidet. Bekannt ist ja auch die Thatsache, dass manche Thiere in der Gefangenschaft überhaupt keine Nachkommen erzeugen.

Bei der Beurtheilung der Angaben über verminderte Fruchtbar- keit muss man stets auf diese Punkte Rücksicht nehmen. Die ein- zelnen Individuen einer selben Kreuzung brauchen nicht in demselben (rade in ihren sexuellen Organen affıciırt zu sein, viel weniger die Nachkommen verschiedener Kreuzungen zwischen denselben Stamm- formen. GÄRTNER fand z. B. allgemein, dass die beiden reciproken Kreuzungen eimer selben Verbindung Bastarde geben, welche in un- gleichem Grade fruchtbar sind. Offenbar kann solches von den je-

1 GÄRTNER, 2.2.0. 8. 407.

Die Fruchtbarkeit der Bastarde. 59

weiligen Versuchsbedingungen abhängen, ohne dass dabei die Frage, welche der beiden Eltern der Vater gewesen sei, als einziger ent- scheidender Factor zu betrachten wäre. Von NÄGELI, Darwın und Anderen ist es GÄRTNER mehrfach vorgeworfen worden, dass er durch seine Cultur in Töpfen und seine Castrationen im Zimmer die individuelle Kraft seiner Pflanzen herabsetzte, und dadurch oft die Fruchtbarkeit, auch unter den Nachkommen, vermindern musste. Auch fand GÄRTNER selbst, dass von Hybriden, welche gewöhnlich steril waren, unter beson- deren Sorgen wohl noch einzelne Samen zu erhalten waren.

Bei sehr vielen zufälligen Bastarden stammen alle Exemplare unserer Gärten auf vegetativrem Wege von einem einzigen ursprüng- lichen Individuum ab, namentlich wo es sich um holzige Gewächse handelt, wie z. B. bei Cytisus Adami und Ribes Gordonianum. Wenn solche Bastarde völlig steril sind, so kann das ja eine individuelle Eigenschaft sein, welche sich nicht nothwendiger Weise zu wiederholen braucht, wenn es je gelingen sollte, die fraglichen Kreuzungen noch einmal mit gutem Glück durchzuführen. Denn auch unter reinen Arten kommen bekanntlich von Zeit zu Zeit Individuen mit herab- gesetzter oder gar mit völlig fehlender Fertilität vor. So fand ich auch in meinen Culturen von Oenotkera gigas (Bd. I S. 225) im Jahre 1899 eine Pflanze, welche bei wiederholter künstlicher Befruchtung völlig steril war. GÄRTNER giebt an, dass bei Geum urbanum x rivale, bei Aquilegia atropurpurea X canadensis und bei mehreren Dianthus-Bastarden, unter theilweise fruchtbaren Individuen aus einer und derselben Kreuzung sich auch noch ein oder das andere total sterile Exemplar fand.!

Die Frage, ob es Bastardverbindungen giebt, welche absolut steril sind, dürfte nach diesen Auseinandersetzungen schwierig, wenn jemals, zu beantworten sein. Die Möglichkeit, dass dieselbe Verbin- dung sich später unter anderen Umständen auch einmal fruchtbar zeigen wird, dürfte kaum auszuschliessen sein. Ueberhaupt sind die Beispiele völlig steriler Bastarde seltene, wenn man von den oben erwähnten durch Zufall im einem Exemplar entstandenen absieht. Gattungen, welche, bei nicht all’ zu geringer Fähigkeit zu bastardiren, bis jetzt überhaupt nur sterile Artbastarde gegeben haben, dürfte es kaum geben. Hursr fand bei genauer Prüfung aller vorhandenen Angaben als solche nur Ribes, Polemonium, Digitalis und Papaver,? aber

1 GÄRTNER, a. a. O. S. 436. Vergl. ferner Fockr, a. a. O. S. 316—318. Digi- talis purpurea x lutea ist nach KÖLREUTER, GÄRTNER, GopDRoN und Lecog völlig steril, bringt aber nach Kock und Dörr gelegentlich auch keimfähige Samen.

® C. C. Hurst, Journ. Roy. Hort. Soc. Vol. 24. April 1900. S. 118. Schon Jetzt wäre hier wohl wenigstens Digitalis zu streichen, vergl. die vorhergehende Note.

60 Die Nachkommen der einfachen Bastarde.

es ist nicht unwahrscheinlich, dass spätere Versuche auch diese Aus- nahmen aufheben werden. GÄRTNER fand, dass die in geringem Grade fruchtbaren Bastarde den allergrössten Theil derselben ausmachen und führt als absolut unfruchtbare nur etwa 30 Beispiele aus den Gattungen Dianthus (5), Niecotiana (12), Oenothera (2), Verbascum (6) und einigen wenigen anderen an (a. a. O. S. 388, 389).

Diese geringere Fruchtbarkeit der Bastarde ist im Gartenbau allgemein bekannt. Manche schönen Gartenpflanzen, ja sogar mehrere Sorten von Kartoffeln geben entweder nur selten oder überhaupt keine Samen, und es gilt die grössere oder geringere Sterilität als eins der gewöhnlichen Merkmale, um die etwaige Bastardnatur einer Pflanze zu beurtheilen.

Ueber den Mangel des Parallelismus zwischen der sexuellen und der systematischen Verwandtschaft lässt sich beim jetzigen Stande der Wissenschaft noch wenig Sicheres aussagen. Varietäten derselben Art können unter sich steril sein, wie einige Formen von Mays, von Cueurbita, von Verbascum (weisse mit gelben), u. s. w.' In der Gat- tung Hieracium fand PETER als Regel keinen Parallelismus. Es wäre liberflüssig, hier die ausführliche Zusammenstellung der Thatsachen zu wiederholen, welche FockE in seinem Werke über die Pflanzen- mischlinge giebt (S. 476--481), und so hebe ich nur hervor, dass einzelne Mischlinge aus sehr nahe verwandten Arten völlig steril zu sein scheinen, wie Capsella rubella x bursa pastoris, Viola alba x scoto- phylla und Papaver dubium x Rhoeas.

Wie die Schwächung der Sexualorgane bei den Bastarden jeden Grad von der normalen Fruchtbarkeit bis zur völligen Sterilität auf- weisen kann, so kann auch der Zeitpunkt, in welchem die Organe funktionsunfähig werden, ein sehr verschiedener sein. In weitaus den meisten Fällen tritt diese Anomalie zur Zeit der Bildung der Sexual- organe ein, oder kann man wenigstens vorher keine Abweichungen vom normalen Verhalten sehen.

In Ausnahmsfällen unterliegen die Bastarde ihrem Schicksal be- reits früher, sei es alle oder nur eimige, sei es in allen Organen oder nur theilweise. So keimen bei den Weidenhybriden immer zu wenige männliche Pflanzen, wie wir bereits oben gesehen haben. Ebenso fand ich die jungen Pflanzen, welche aus Kreuzungen von Oenothera Lamarckiana mit O. muricata entstanden waren, zum grösseren Theile

! Auf die Fruchtbarkeit bezw. das Misslingen der Kreuzungen selbst, d.h. auf die Fähigkeit verwandter Formen, bei künstlicher Vermischung überhaupt keim- fähige Samen und somit Bastarde zu geben, komme ich im letzten Abschnitt zurück.

Die Fruchtbarkeit der Bastarde. 61

starben, bevor sie das 8.—10. Blatt entfalteten, während es in anderen Jahren (z. B. 1898), wenn auch mit vieler Mühe gelang, sie zur Blüthe und zur Samenbildung zu bringen.” Bekannt sind die hybriden Kar- toffelsorten, welche nie oder fast nie Blüthen bilden. Naupm be- richtet, dass auf den Bastarden von Datura Stramonium mit verwandten Arten in der Regel die ersten Blüthen abfallen, bevor sie sich öffnen. Aehnlich verhalten sich nach demselben Forscher Luffa acutangula x eylin- drica, Nicotiana rustica X paniculata und Mirabilis longiflora x Jalapa, welch’ letzterer drei Viertel seiner Blüthenknospen abwirft. Andere Bastarde, wie diejenigen von Cucumis und Luffa bilden bisweilen ausschliess- lich weibliche Blüthen (a. a. ©. S. 142). Auch giebt es Beispiele von Bastarden, welche in ihren Blüthen keine Staubfäden bilden oder diese doch frühzeitig absterben lassen. In hybriden Sorten von Begonia fand GvIGsarD die Samenknospen bisweilen ohne Embryosack,? und die nämlichen Organe sind bekanntlich bei Cytisus Adami in der Regel verlaubt.

Gewöhnlich tritt aber, wie oben hervorgehoben, die Schwächung zur Zeit der Bildung der Sexualorgane ein. Aber auch hier giebt es alle Stufen. Dabei ist zu bemerken, dass fast stets die männ- lichen Organe stärker verändert werden als die weiblichen, und dass sehr viele Bastarde, bei völlig oder fast völlig sterilem Pollen, sehr gute Samen, wenn auch meist nicht viele, heranbilden können, so oft sie mit dem Staub einer verwandten Art befruchtet werden. In der Praxis wird dazu häufig der Staub von einer der beiden Stammarten benutzt, oder aber der Mischling mit einer dritten Art verbunden. Wir werden unten sehen, dass diese wiederholte Kreuzung die eigent- liche Quelle der Variabilität der Bastarde bildet, und sie wird dem entsprechend im Gartenbau stets mit Vorliebe gewählt. In den Gat- tungen Verbascum, Primula, Niecotiana, Digitalis, Antirrhinum, Linaria, Aegilops und mehreren anderen sind die meisten Artbastarde in der Regel mit ihrem eigenen Pollen steril, aber im Stande, mit dem elter- lichen Blüthenstaub Samen anzusetzen.’

Hursr berechnete die Erfahrungen von R. Young in Liverpool über die Fruchtbarkeit der Bastarde bei den Orchideen, namentlich in der Gattung Paphiopedilum. Es waren im Ganzen 849 Kreuzungen.

! Die reeiproke Kreuzung: O. muricata x ©. Lamarckiana gab bis jetzt nur kräftige grüne Keimpflanzen.

®? L. Guisnarnp, Comptes rendus de Acad. Paris. 1886. T. II. p. 769.

3 D. A. Gopron, KRecherches experimentales sur Uhybridite. Mem. Acad. Stanislas. 1862. -S. 228.

62 Die Nachkommen der einfachen Bastarde.

Von den Hybriden, welche mit dem Staub einer reinen Art befruchtet wurden, gaben 91-8°, Samen, während reine Arten mit dem Staub der Bastarde nur zu 60°/, fruchtbar waren. Man kann hieraus folgern, dass die Schwächung der Fruchtbarkeit des Pollens zu derjenigen der Samenknospen etwa im Verhältniss von 90:60 oder von 3:2 stehe.! Mit dieser Angabe stimmen die älteren Erfahrungen von Darwıx, FockE, MASTERS, MACFARLANE und vielen anderen Autoren in genügen- der Weise überein. Wie weit sich die Bedeutung dieser Verhältniss- zahl erstreckt, müssen weitere Untersuchungen lehren, doch wies WiıcHvrA auch für Weiden einen gewissen Zusammenhang zwischen der unvollkommenen Ausbildung der männlichen und weiblichen Ge- schlechtsorgane der Bastarde nach (a. a. O. S. 40).

Diesen Erfahrungen entsprechen die geläufigen Sätze, dass weib- lich sterile Bastarde viel seltener sind als männlich sterile, und dass, wenn ein Hybride mit fremdem Staub keine Samen anzusetzen ver- mag, er es stets auch nicht mit dem eigenen thun kann.

Ueber die Art und Weise, wie die Eizellen steril werden, habe ich keine erwähnenswerthen Angaben gefunden. Die meisten Forscher haben sich ‚auf den so viel leichter zugänglichen Pollen beschränkt, und auch hier bleibt wohl noch das Meiste zu untersuchen übrig. Am vollständigsten beschäftigt sich WıcHurA mit diesem Gegenstand, und da seine Erfahrungen bei den Weiden im Allgemeinen mit den älteren und neueren Befunden bei anderen Hybriden übereinstimmen, mögen sie hier in den Vordergrund gestellt werden. Wir können die Erscheinungen in zwei Gruppen zusammenfassen, je nachdem sie vor der Bildung der Pollenmutterzellen, oder bei deren Theilungen statt- finden, bemerken aber, dass in der Regel der Verlust der Fertilität die einzelnen Zellen eines Antherenfaches in ganz verschiedenen Sta- dien der Differenzirung trifft. Statt freier Pollenkörner fand WICHURA entweder linealisch längliche Körper, etwa von der Grösse eines An- therenfaches, welche eine grosse Anzahl dunkelschmutziggelb gefärbter, runder Pollenkörner von etwas mehr als gewöhnlicher Grösse einge- schlossen enthielten, oder mehrere unförmliche, aus wenigen oder zahlreicheren verwachsenen Körnern bestehende Körper von ähnlichem Bau. In den meisten Fällen waren aber die Pollenkörner frei, und zum grösseren oder geringeren Theile normal, mit leeren oder schlecht ausgebildeten untermischt. Dabei sind dann die fertilen Körner häufig etwas grösser als die Körner der Eltern. Unter den sterilen Körnern sind diejenigen, welche mehr oder weniger regelmässig zusammenge-

10. C. Husst, a.a. O0. Vol. 24. $S. 120.

Die Fruchtbarkeit der Bastarde. 63

faltet, dunkel und undurchsichtig sind, und in Berührung mit Wasser nicht aufquellen, die häufigsten.!

Antheren ohne eigentliche Pollenbildung, mit einem compacten oder breiartigen Inhalt der Fächer kommen nach GÄRTNER bei sehr vielen Bastarden vor (a. a. 0. S. 332); häufig sieht man ihnen dieses schon äusserlich an, da sie eingeschrumpft und missfarbig erscheinen. Oder sie sind ganz leere Beutel ohne materiellen Inhalt, wie z. B. bei Lobelia nach GÄRTNER und bei Saxifraga Braunü (= S. muscoides x tenella) nach JENCIC.

Ist der Blüthenstaub aus fertilen und sterilen Körnern gemischt, so kann das Verhältniss dieser beiden Typen bei den einzelnen Hybri- den wiederum sehr wechseln. Bestimmungen dieser Beziehungen sind gelegentlich von verschiedenen Forschern gemacht worden, und NAUDIN hat auf der letzten Tafel seiner mehrfach citirten Abhandlung viele Abbildungen des Pollens von Bastarden und ihren Eltern gegeben. Am ausführlichsten sind zahlenmässige Ermittelungen aber von A. JEencı6? gemacht worden. Dieser Forscher hat für eine ganze Reihe von Bastarden zwischen verschiedenen Arten den Gehalt an sterilen Körnern im Pollen in Procenten ermittelt. Auf den einzelnen Exem- plaren eines Bastards schwanken die Zahlen selbstverständlich, so z. B. bei Sempervivum Huteri (= S. montanum + S. Wulfeni) zwischen 71 und 82 °/,, bei Geum intermedium (= G.urbanum x @. rivale) zwischen 33 und 52°/,, bei Primula acaulis + pannonica sogar zwischen 47—65 —85 und 98°/,.

Die von Jzxcıc erhaltenen Ergebnisse lassen sich folgender- maassen zusammenstellen, wenn man nur die Procentzahlen und nicht die Bastarde selbst berücksichtigt. Ich übergehe die sehr vereinzelten Fälle, in denen er den Pollen völlig oder nahezu fertil fand, da ab- sichtlich nur Bastarde von verschiedenen Arten untersucht wurden, und schreibe die gefundenen Zahlen einfach der Reihe nach hinter einander, indem ich die Reihe auf den Grenzen 12!/,, 371/,, 621), 87'/, in Gruppen abtheile; die Mittelwerthe der Gruppen sind dann 250, 15-und 100°), oder */,, 2/, ®/, und #/,.

Die von ‚JEexcı6 erhaltenen Zahlen waren die folgenden :?

! WicHUrA, a. a. 0. S. 33.

A. Jencı6, Untersuchungen des Pollens hybrider Pflanzen. Oesterr. bot. Zeitschrift. Jahrgang 1900. Nr. 1, 2, 3. Die Procentzahlen werde ich ohne die Decimalen wiedergeben. Vergl. das Kapitel über die Genauigkeit der Erb- zahlen in dem folgenden Abschnitt.

® Die Fricaceen sind von dieser Tabelle ausgeschlossen worden. Vergl. unten.

64 Die Nachkommen der einfachen Bastarde.

Procentischer Gehalt an sterilen Körnern: Mittel: Beben 17 17. 17.2307 2317 2322628780736 25 10 2 25925959355 50 7 69 71:72 >74 76.780182 84.784 85 19 10 89 =r792 79579379 Uebergänge'! 5) 100 100 100 100 100 100 100 100 7

Nach der von JExcı6 gegebenen Zusammenstellung gehören die oberen niederen Zahlen, soweit sich die Verwandtschaft der Eltern abschätzen lässt, zu Bastarden mit nahe verwandten Eltern, während diejenigen mit geringerer elterlichen Verwandtschaft in den höheren Zahlen vertreten sind. Unter den völlig sterilen (100°/,) befinden sich zwei Bastarde von Verbascum und zwei von Üirsium.

Die gewählte Darstellung zeigt eine gewisse Vorliebe der Pro- centzahlen für eine Gruppirung um die Hauptwerthe !/,, ?/, und ?®/,, während zwischen °/, und */, eine Grenze nicht gesehen wird. Fett- gedruckt sind die Zahlen, welche sich von diesen Werthen um höch- stens 5°/, entfernen, eine Abweichung, welche durch die gewöhn- lichen Fehler der Probeentnahme gestattet ist, wie wir später sehen werden. Wir gelangen hier zu der principiellen Frage, wie sich die Sterilität des Pollens zu der Viertheilung der Pollenmutterzellen ver- hält. Es leuchtet ein, dass, wenn sich alle Pollenmutterzellen eines Bastardes in derselben Weise verhalten würden, man nur die Procent- zahlen 25—50—75—100 finden müsste, je nachdem ein, zwei, drei oder alle vier die Zellen einer Tetrade steril geworden wären. Je mehr die Pollenmutterzellen sich ungleich verhalten, um so weniger scharf werden diese typischen Werthe hervortreten. Die mitgetheilte Zahlen- gruppe lässt offenbar eine endgültige Entscheidung noch bei Weitem nicht zu; sie ist aber die beste, welche augenblicklich vorliegt, und spricht ziemlich klar für eine mehr oder weniger scharfe Trennung der drei ersteren Gruppen, und für einen sehr allmähligen Uebergang der Tetraden mit je einem fruchtbaren Korn zu der völligen Sterili- tät. Diese Frage könnte offenbar am leichtesten bei den Ericaceen beantwortet werden, und JExcı6 theilt über Rhododendron intermedium [= R. hirsutum + ferrugineum) eine Beobachtung von von WETTSTEIN nit, nach welcher nur 5°/, der Tetraden vollkommen normal waren,

! Die Uebergänge kommen bisweilen auf denselben Bastarden vor, auf denen andere Blüthen vollkommen steril sind, z. B. Azalea sinensis; vergl. JENdıG a.2.0. 8.8.

Die Fruchtbarkeit der Bastarde. 65

indem von den vier Zellen meist nur eine oder zwei sich quellungs- fähig zeigten; circa 30°/, aber waren vollständig verkümmert.

Eine eingehende Untersuchung über diesen Gegenstand ver- danken wir Juer, der die Entstehungsweise des Pollens von Syringe rothomagensis erforschte. Dieser Bastard zwischen S. vulgaris und 8. persiea bildet überhaupt keine fruchtbaren Körner aus, aber auch die Eltern sind in dieser Beziehung nicht normal, indem S. vulgaris nur etwa 50°/,, S. persica nur vereinzelte gute Körner hat. Im Bastard bilden sich die Pollenmutterzellen normal aus; die Theilungen inner- halb dieser Zellen geschehen aber in unregelmässiger Weise, indem der Vorgang offenbar durch irgend welche Eigenthümlichkeiten im Bau der Zellkerne, speciell der Ohromatinfäden gestört ist.! Bei den Weiden scheint überhaupt die Tetradentheilung in den Pollenmutter- zellen sich bisweilen auf die Production von nur zwei Körnern zu be- schränken, oder die Scheidewände bleiben unvollständig und es bilden sich eigenthümliche knollig difforme Körner aus. Meist aber bildet sich hier in jeder Tetrade ein gutes Korn neben drei tauben; das fruchtbare kann dabei entsprechend grösser und kräftiger werden als gewöhnliche normale Staubkörner.?

Eine sehr wichtige und vielfach erörterte Frage ist diejenige nach dem Verhalten der Fruchtbarkeit der Bastarde in den späteren Gene- rationen. Hier, wie so oft in der Bastardlehre, stehen die Meinungen der verschiedenen Forscher sich diametral gegenüber, je nach den Beispielen, von denen sie ausgehen. GÄRTNER, WICHURA und NÄGELI sprechen sich dahin aus, dass die Fruchtbarkeit im Lauf der Gene- rationen allmählig abnehme; dem zu Folge würden die Hybriden sowohl in der Cultur als im Freien stets früher oder später aussterben. NaAuDin ist der entgegengesetzten Meinung, und Hursr fand in seinen Versuchen mit Berberis stenophylla (= B. Darwinüi x B. empetrifolia) die Fertilität der Nachkommen erheblich grösser als diejenige des ersten, käuflichen Bastardes.” Einer kritischen Behandlung wurde diese Frage von KERNER unterworfen.* Er betont zunächst, dass auch reine Arten bei derselben Cultur, in der die Bastarde meist gehalten

ı H. O. Juer, Beiträge zur Kenntniss der Tetradentheilung. Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. 35. 1900. S. 638. Juer fand auch, dass bei Carex im normalen Blüthen- staub sich nur eine Zelle in jeder Tetrade entwickelt.

® M. Wicaura, a. a. 0. S. 36.

® GÄRTNER, a. a. O. S. 420, WıcHhura 8.38, Näaenı 8. 412, Naupm S. 144, Hussr S. 121.

* A. Kerner von MarızLaun, Können aus Bastarten Arten werden? Oesterr. bot. Zeitschrift. XXI, Nr. 2. 1871. 8.6. Vergl. auch Kerner, Das Pflanzenleben.

DE VrIEs, Mutation. II. %

66 Die Nachkommen der einfachen Bastarde.

werden, und namentlich bei fortdauernder Inzucht allmählich zu Grunde gehen würden, und dass somit namentlich die Erfahrungen GÄRTNER’S über diesen Punkt keinen Aufschluss zu geben im Stande sind. Dann aber zeigt er an einer Reihe im Freien vorkommender Hybriden, dass diese sich in vielen Hinsichten wie echte Arten verhalten, ja zum Theil als solche beschrieben worden sind. Einzelne solche Bastarde sind so häufig, dass an ihrer fortdauernden Fruchtbarkeit wohl nicht sezweifelt werden kann.

Die Erscheinungen sind hier offenbar sehr complicirte. Die Fruchtbarkeit hängt ja wesentlich von der Lebenslage ab, und wenn somit die Bastarde erster Generation durch irgend welche Einflüsse, sei es auch nur durch das Reifen in nicht genau geeigneten Samen- hüllen und Kapseln geschwächt sind, kann es ja vorkommen, dass die Fertilität im der zweiten Generation zunimmt.! Dann aber ist darauf zu achten, dass die Aussaat von Bastardsamen in den meisten Fällen eine ziemlich starke Selection mit sich führt, denn man wählt unwillkürlich und nothwendiger Weise die fruchtbaren Individuen und die am besten adaptirten Keime, und auch dieses würde eine Er- ‚höhung der Fertilität erwarten lassen. Andererseits erhalten sich manche Bastardrassen im der Cultur, bei ausreichenden Sorgen für die Isolirung, auch bei ziemlich geringer Fruchtbarkeit, im Laufe der (Generationen, wie z. B. der im nächsten Paragraphen zu besprechende Hybride von Oenothera muricata und O. biennis.

$ 8. Die constanten Bastardrassen.

Die Frage, ob es überhaupt constante Bastardrassen giebt, ist von den älteren Forschern stets vernemt worden. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts galt Aegilops speltaeformis, der damals sogar in der Descendenzlehre eine grosse Rolle spielte, als das einzige Bei- spiel eines Bastardes, der ebenso constant war als eine reine Art. Erst Wıcnura lehrte dauerhafte Bastarde unter den Weiden kennen, und zeigte, dass auch einige Erfahrungen GÄrrner’s sich in Ähnlichem Sinne deuten lassen. Es ist aber namentlich das Verdienst KERNER’S, durch eine grössere Reihe von Beispielen aus den verschiedensten (sattungen die Existenz von unveränderlichen Bastardrassen, nament- lich im Freien, nachgewiesen zu haben. Und seitdem haben sich die Fälle allmählich gehäuft.

! Meine Bastarde von Oenothera Lamarckiana x eruciata waren in der zweiten und dritten Generation stets auffallend kräftiger und samenreicher als in der ersten.

Die eonstanten Bastardrassen. 67

Aber dennoch sind die Beispiele sehr selten. Weitaus die meisten Bastarde zeigen sich in ihren Nachkommen inconstant, wie wir im nächsten Paragraphen sehen werden. Und dieses Verhältniss ist auch dasjenige, das man erwarten muss. Die beiden Formen, welche im Bastard verbunden werden, unterscheiden sich nur selten in einer einzigen Eigenschaft; auch so enge Grade der Verwandt- schaft, dass die Differenzen sich nur auf zwei bis drei Punkte beziehen, sind selten, da die meisten Forscher eine scharfe Grenze zwischen Arten und Varietäten ziehen, und sich dadurch von dem Studium der Kreuzungen zwischen den letzteren abhalten lassen. Unterscheiden sich somit die Eltern in mehreren Eigenschaften, so nimmt offenbar die Aussicht ab, dass alle diese Eigenschaften con- stante sein würden; im Gegentheil werden sich bei steigender Zahl der Differenzpunkte sehr bald constante und inconstante zusammen- finden. Um aber als constant betrachtet zu werden, muss «ein Mischling solches in allen Charakteren sein; sobald auch nur eine Eigenthümlichkeit unbeständig ist, wird er schon zu der anderen Gruppe gerechnet. GÄRTNER betont ausdrücklich, dass viele Bastarde in den vegetativen Organen constant seien, während die Merkmale ihrer Blüthen bei der Fortpflanzung wechseln, d. h. sich in den Nach- kommen verschieden verhalten und namentlich auch die im Bastard latenten elterlichen Eigenthümlichkeiten zur Schau bringen. Man sollte also eigentlich von constanten und inconstanten Eigenschaften, nicht aber von constanten und inconstanten Bastardrassen sprechen. Wenigstens bilden die letzteren einen abgeleiteten, speciellen Fall.

Ich beschreibe zunächst ein Beispiel einer constanten Bastard- rasse von höchst geringer Fruchtbarkeit, welche sich aber bei künst- licher Befruchtung und geeigneter Cultur in meinem Versuchsgarten im Laufe der Generationen erhielt, ohne je eine Andeutung eines Rückschlages oder auch nur verstärkten Hinneigens zu einem der Eltern zu zeigen.

Dieser Hybride war Oenothera muricata L. x O. biennis L. Die Kreuzung führte ich 1895 aus; die erste Generation war zweijährig (1896/97), die zweite theils zwei-, theils einjährig; die dritte und vierte (1899 und 1900) eultivirte ich nur in einjährigen Exemplaren.! Alle diese Generationen bildeten in allen Individuen nur einen einzigen Typus, der demjenigen der O. biennis durchaus nahe stand.

Im Sommer 1895 bestimmte ich für die Kreuzung ein zweijähriges Exemplar von O. muricata, welches im vorigen Jahre als junge Rosette

Die Cultur dieser Rasse wird fortgesetzt. H*

68 Die Nachkommen der einfachen Bastarde.

aus dem Freien in meinen Garten übergepflanzt worden war. Ende Juli fing das Castriren und Befruchten an; es wurde der Blüthen- staub von ©. biennis dazu wiederum im Freien von mir eingesammelt. Der Versuch lieferte nur eine geringe Samenernte, welche im nächsten Frühling ausgesät wurde. Die Saat ergab (1896) etwas über 50 Pflanzen, von denen einige im Herbst Stengel trieben und es noch bis zum Anfang der Blüthe brachten. Die meisten aber blieben Rosetten von Wurzelblättern und wurden überwintert, aber nur drei waren im Frühling 1897 kräftig genug, um weiter cultivirt zu werden. Sie trieben hohe Stengel, blühten reichlich und wurden in Pergamin- beuteln mit ihrem eigenen Pollen befruchtet.

Sie lieferten eine ganz geringe Ernte, etwa 1 cem pro Pflanze, während bei den elterlichen Arten jede Frucht im Mittel etwa !/, cem Samen enthält. Schon vor der Reife sah man es den Früchten an, dass sie viel zu klein und nur mangelhaft ausgebildet waren. Im Uebrigen glichen die Pflanzen vorwiegend der O. biennis, hatten namentlich deren Blätter, Stengel und Blüthen. Aber die Traube war dichter beblättert und reichblüthiger, beides Merkmale der O. muricata.

Von zwei Pflanzen wurden die Samen im nächsten Jahre (1898) ausgesät, und zwar in Schüsseln im Gewächshause des Laboratoriums. Die Aussaat fand Ende März statt, das erste Versetzen der Keim- linge in gedüngte Erde Anfang Mai und das Auspflanzen auf dem Beete Mitte Juni. Durch diese Behandlung gelang es einen grösseren Theil der Pflanzen bereits im ersten Sommer zum Blühen zu bringen. Ich hatte im Juni 240 junge Pflanzen, von denen nur 150 am Leben erhalten wurden; von diesen blühten im Laufe des Sommers und des Herbstes etwa 70 Exemplare. Sowohl diese als alle übrigen wieder- holten dabei nur die Merkmale der vorigen Generation. Von den einjährigen gewann ich nach Selbstbefruchtung Samen, aber ganz wenig, von drei Pflanzen zusammen kaum 0,2 cem. Die Rosetten überwinterte ich, und als sie im Juni Stengel trieben und sich alle als durchaus gleich erwiesen, rodete ich die meisten aus und behielt nur ein Dutzend übrig, welche dann im Laufe des Sommers reich- lich blühten.

Die Samen von 1898 gaben im nächsten Jahre die dritte Gene- ration. Es keimten nur 55 Exemplare, von denen etwa 20 Rosetten blieben, etwa 10 zu spät ihren Stengel bildeten, während die übrigen im ersten Jahre ihre Blüthen entfalteten und zum Theil auch Früchte reiften.

Aus selbstbefruchtetem Samen von diesen Pflanzen hatte ich

PET u

Die constanten Bastardrassen. 69

denen 22 es im September zum Blühen gebracht haben; von den anderen hatten 33 meist hohe Stengel, während die übrigen zwei- jährig blieben.

Im Ganzen habe ich also etwas über 400 Individuen erzogen, von denen mehr als 100 geblüht haben. Es ist dies allerdings für vier Jahre kein bedeutender Umfang der Versuche, aber doch der äusserst geringen Fruchtbarkeit des Bastardes gegenüber ein befrie- digendes Ergebniss. Jedenfalls reicht es aus, um die Constanz der Rasse im Laufe der Generationen darzuthun, da unter allen diesen Pflanzen keine einzige von einem abweichenden Baue vorkam. Ich habe die Hybriden in den verschiedenen Jahren mit ihren Eltern eingehend verglichen und entnehme meinen diesbezüglichen Notizen noch die folgenden Angaben, welche selbstverständlich, da man die Merkmale der Eltern noch nicht hinreichend auf die ihnen zu Grunde liegenden elementaren Eigenschaften zurückführen kann, höchstens den sehr beschränkten Werth der üblichen Beschreibungen von Bastarden haben.!

Wählt man im Hochsommer ein mittleres Wurzelblatt von O. biennis und ein solches von ©. muricata x O. biennis aus und legt diese auf ein- ander, so findet man keine nennenswerthen Differenzen. Länge, Breite und Form, sowie der Rand und die Nerven sind zum Verwechseln ähnlich. Sogar die blassröthliche Farbe des Mittelnerven ist auf den Bastard übergegangen. Selbstverständlich sind alle diese Merkmale der fluetuirenden Variation unterworfen, aber die schmalen Blätter von O. muricata unterscheiden sich von diesen doch stets scharf.

Die Grösse der Blumen hängt, wie bei den reinen Arten von Oenothera, in hohem Grade von der Jahreszeit und der individuellen Entwickelung ab. Die Bastarde sind nun keineswegs kräftiger als ihre Eltern, wenn man Culturen unter gleichen Bedingungen mit einander vergleicht. Öft scheinen die Blüthen etwas kleiner zu sein als diejenigen von O. biennis, oft aber auch nicht. Diese geringere Grösse mag auch damit zusammenhängen, dass sie in grösserer An- zahl hervorgebracht werden als bei O. biennis, denn die Trauben besitzen, wie bereits bemerkt, die Merkmale von O. muricata. Ihre Internodien sind zahlreicher und kürzer, ihre Blüthen also mehr gedrängt und in grösserer Anzahl sich an demselben Tage öffnend. Die Bracteen sind lang, länger als die Blüthen, oft bis hoch hinauf in die Trauben reichen.

! Max Wiıcuura, Die Bastardbefruchtung im Pflanzenreich. 8. 49.

70 Die Nachkommen der einfachen Bastarde.

Der Blüthenstaub ist in hohem Grade steril; die Samenknospen sind in geringerem Maasse zur Befruchtung ungeeignet. Ich über- zeuste mich davon in reciproken Kreuzungen mit O. Lamarckiana und mit O. biennis, mit deren Blüthenstaub der Bastard ausreichend, wenn auch nicht reichlich Früchte und Samen bildet, während um- gekehrt diese beiden Arten vom Bastard so gut wie gar nicht be- fruchtet werden. Es hat sich dieser sehr geringe Grad der Fertilität im Laufe der Generationen bis jetzt allem Anscheine nach unverändert erhalten.

Die im Anfang genannte Aegilops speltaeformis ist eine Bastardrasse, welche seit etwa einem halben ‚Jahrhundert vielfach eultivirt wird, und welche sich jedes Jahr aus Samen in genau derselben Weise wieder- holt. Auch grössere Aussaaten zeigen sich ebenso einförmig wie die besten Arten. Im Garten zu Amsterdam habe ich mich mehrfach davon überzeugen können. Sie ist ein abgeleiteter Bastard und gehört also eigentlich nicht zu der hier zu behandelnden Gruppe, soll aber dennoch, wegen ihrer allgemeinen Bekanntheit, in den Vordergrund gestellt werden.

Der Bastard von Aegilops ovata und Triticum vulgare führt den Namen 4eg. triticoides. Durch Befruchtung dieses Bastardes, der mit seinem eigenen Pollen steril ist, mit dem Staub des gewöhnlichen Weizens ist der abgeleitete Hybride Aegilops speltaeformis entstanden. Es lohnt sich, die öfters angeführte Geschichte dieser Pflanzen hier kurz zusammenzustellen.?!

In der Gegend von Montpellier wächst Aegilops ovata nicht selten an den Rändern der Getreideäcker, und hier tritt der erste Bastard, Aeg. triticoides, bisweilen spontan auf. Esprir FABRE, der ihn zuerst beobachtete, erkannte seine Bestardnatur nicht und hielt ihn für einen Uebergang von Aegilops zu Tritieum.” Er äusserte diese Meinung zu einer Zeit, als die Frage nach dem Ursprunge der cul- tivirten Pflanzen und namentlich der Getreidearten lebhaft diseutirt wurde, und behauptete, in Aegilops ovala die wilde Stammpflanze des Weizens entdeckt zu haben. Er nahm diese vermuthliche Uebergangs- form zu wiederholten Malen in Cultur; sie blieb anfangs steril, brachte aber einmal einzelne Samen, aus welchen ein sich noch mehr an den Weizen annähernder Typus hervorging, den JORDAN später Aeg. speltae- formis nannte (1838). Diese Pflanze war fruchtbar, ergab sich als

Es

! Naupin, Ann. Sc. nat. 1875. p. 73. Wiıcnvra, Die Bastardbefruchtung. 1865. 8. 85. Arsen Rorre, Journ. Roy. Hort. Soc. Vol. 24. April 1900. p. 195. ® E. Faure, Mem. Acad. Se. et lettres Montpellier. 1853.

Die constanten Bastardrassen. ya!

constant, brachte aber von Zeit zu Zeit nebenbei Samen hervor, welche zu Weizenpflanzen heranwuchsen. Und damit glaubte FABRE den voll- ständigen Beweis für die Entstehung des Weizens aus einem kleinen wilden Grase gebracht zu haben.

Gegen diese Auffassung erhoben sich namentlich JoRDAN und GopRon. Eirsterer betrachtete Aeg. speltaeformis als eine eigene, un- abhängige Art.! Gopron aber hat durch ausführliche und wiederholte Bastardirungsversuche den wahren Sachverhalt an’s Licht gebracht.?

Die Constanz des Hybriden Aegilops spellaeformis ist über allen Zweifel erhoben? und durch eine so grosse Anzahl von Beobachtern in einer so langen Reihe von Generationen gesichert, dass ihm in dieser Beziehung kein anderes Beispiel zur Seite gestellt werden kann. Man kann einfach behaupten, dass die Pflanze seit 1838, als sie zuerst entstand, bis jetzt, also durch etwa 60 Generationen, sich unverändert erhalten hat. Die ersten 20 Generationen hat FABRE selbst cultivirt; dann erhielt GopRon Samen von ihm, und erwähnt im Jahre 1865 die 23. Generation.* Seitdem ist die Pflanze, wie oben hervorgehoben, in die Cultur fast aller botanischen Gärten über- gegangen.” Rückschläge, auffallende Polymorphie oder auch nur be- sonders starke Variabilität sind dabei nie erwähnt worden. JoRDAN’s Meinung, dass Aegilops speltaeformis eine gewöhnliche Art sei, lässt sich schon dadurch widerlegen, dass sie im Freien nicht vorkommt, und dort auch nicht im Stande sein würde ihre Samen zur Keimung zu bringen, namentlich aber durch den directen Nachweis ihres hybriden Ursprunges in Gopron’s Versuchen.

GODRON kreuzte Aegilops ovata mit Tritieum vulgare und er- hielt Aegzlops triticoides. Diese Pflanze befruchtete er wiederum mit Weizen und erhielt jetzt Aegilops speltaeformis, welche sich bis zum Jahre 1862 durch vier Generationen rein erhielt. Die Kreuzung

! Arzxıs Jorpan, Memoire sur U’ Aegilops triticoides et sur les questions d’hy- bridite et de variabilite specifique. Ann. Se. nat. Bot. 3. Serie, T. IV. p. 295. 361. Ders., Nouveau memoire relatif aux Aegilops triticoides et speltaeformis. Ann. Soc. Linn. Lyon. Nouv. Ser. T. IV. 1875. Mit einer Tafel.

® A. Gopron, De l’Aegilops triticoides et de ses differentes formes. Ann. Se. nat. Bot. 4. Serie. T. V. p. 74 und 4. Ser, T. II. 1854. p. 218. Ders. in den Memoires de l’ Academie Stanislas « Nancy. 1858, p. 1. 1862, p. 290—296, 1865, p. 361. Ders., De l’espece et des. rages. 1872. I. p.. 229.

° J. GrönLann, Ueber Bastardbildungen in der Gattung Aegilops. PrınasHEım's Jahrb. f. wiss. Bot. I. S. 515.. Taf. 30.

* Mem. Stanislas. 1865. p. 363. .

5 Wıcaura, 2. a. O. 1865. 8. 65. Fock, a.a. 0. 1881. 8. 411.

° Die Pflanze keimt nur bei künstlicher Aussaat unter guter Pflege.

12 Die Nachkommen der einfachen Bastarde.

wurde nach zwei Jahren von Neuem begonnen, und diese zweite Rasse hatte im Jahre 1862 bereits zwei constante Generationen hervor- sebracht.! Während einiger Jahre wurden diese beiden Rassen im botanischen Garten von Nancy neben dem ursprünglichen 4Aegilops speltaeformis von FABRE durch GoDRoN cultivirt; es zeigte sich dabei überhaupt kein Unterschied.

Während vieler Jahre ist Aegilops speltaeformis für das einzige Beispiel eines constanten Bastardes gehalten worden.? In den letzten Jahrzehnten hat man aber immer zahlreichere Fälle entdeckt, und wurde damit auch der Zweifel an den diesbezüglichen Angaben der älteren Forscher zu einem wesentlichen Theile beseitigt. Denn bereits (HÄRTNER erwähnt einige Hybriden, welche sich bei wiederholter Aus- saat unverändert fortpflanzen sollen, wie @eum intermedium (G@. urba- num x rivale), Lavatera pseudolbia X thuringiaca, Dianthus superbus X D. arenarius und einige andere Mischlinge von Dianthus. Auch in den (rattungen Gladiolus, Crinum u. a. kommen Beispiele von Constanz bis in die sechste und achte Generation vor.” WICcHURA nennt die Hybriden seiner Weiden constant in den vier Fällen, wo reine Befruchtung möglich gewesen ist (a. a. O. S. 27). HERBERT fand den von ihm er- zeugten Bastard von Petunia nyctaginiflora und P. phoenicea bei wieder- holter Aussaat in einer grösseren Anzahl von Individuen einförmig* und erhielt auch in der Gattung Loasa einen durch mehrere Generationen constanten Mischling.? Hurst nennt unter den Orchideen Paphio- pedilum Harrisianum (= P. barbatum x P. villosum) und P. vexillarium (= P barbatum x Fairieanum) als samenbeständig. Ebenso den Bastard von Epidendrum radicans und E. evectum, mit Ausnahme der Blüthen- farbe. Auten RotreE berichtet über eine Kreuzung, welche von Ber. SALTER zwischen Epilobium tetragonum und E.montanum ausgeführt wurde; die Mischlinge waren intermediär zwischen den Eltern und diejenigen der beiden reciproken Kreuzungen waren von einander nicht zu unter- scheiden. Während vier Jahren wurden die Bastarde durch ihren Samen vermehrt, und erhielten sie sich echt.” Medicago media (= M. falcata x sativa) ist eine seit Jahrzehnten im Grossen angebaute, constante Bastardrasse, welche oben bereits besprochen wurde.

! Mem. Stanislas. 1862. p- 290.

Naupis, Nowv. Arch. du Museum. 1869. p. 159. ® GÄRTNER a. a. O. 8. 421 und 149.

* Hybrid Conference Report, a. a. O. S. 124.

° Darwın, Das Varüren. U. 8. 130.

6 Journ. Roy. Hort. Soc. Vol. 24. 8. 124.

Journ. Roy. Hort. Soc. Vol. 24. $. 182.

Die constanten Bastardrassen. 13

Die früher erwähnten emseitigen Bastarde aus der Gattung Fragaria, welche MiLLARDET erzeugt und beschrieben hat, erwiesen sich nahezu alle, soweit sie untersucht wurden, als unverändert bei der Aussaat, und dasselbe gilt auch von der oben (S. 31) be- schriebenen Oenolhera Lamarckiana x biennis, sowie von den Hybriden von Hieracium in den Untersuchungen von MEnDEL und von PETER, in denen sogar die beiden Typen eines in der ersten Generation zwei- förmigen Bastardes sich in den folgenden Generationen als constant erwiesen."

Einige constante Bastardrassen sind im Gartenbau als Samen im Handel, so z. B. die bekannte Veronica Andersonü (= V. salieifolia x V. speeiosa), welche zwischen ihren Eltern intermediär ist.? Am wichtigsten sind aber wohl die Bastardirungsversuche JANCzEwSKT’S in der Gattung Anemone, und namentlieh seine Verbindung von A. magellanica mit A. silvestris, welcher Bastard in der zweiten und dritten Generation der ersteren völlig glich, und sich auch sonst in jeder Hinsicht als eine gute Art verhielt. Janczewskt folgert daraus: „Il faut alors consid&rer la plante hybride comme une nou- velle espece d’Anemone, parfaitement constante et f6Econde“, und nur der theilweise sterile Blüthenstaub könnte noch den hybriden Ursprung verrathen.”? An diese Bastarde würden sich die von KERNER beschriebenen wildwachsenden Bastardrassen anreihen lassen. Da diese aber für die Frage nach dem Antheile der Bastardirung an der Entstehung neuer Arten von höchster Bedeutung sind, werde ich sie erst bei der Besprechung dieses Gegenstandes anführen.

Aus den mitgetheilten Beispielen folgern wir also, dass es eine nicht unerhebliche Reihe von constanten Rassen giebt, welche durch künstliche Verbindung von zwei verschiedenen Arten entstanden sind, und sich im Laufe der Generationen in jeder Beziehung, höchstens mit Ausnahme der vermin- derten Fruchtbarkeit, wie gewöhnliche Arten verhalten. Solche constante Bastardrassen können aber offenbar nur dann ent- stehen, wenn sich unter den Unterschieden zwischen den Eltern kein

! Die zahlreichen von Rımpau und Anderen nach den Spaltungen in der zweiten Generation der Bastarde beim Getreide erhaltenen constanten Bastard- rassen könnten hier gleichfalls angeschlossen werden. Vergl. unten.

M. Assaoo, L’ibridismo nei vegetali. Nuovo Giorn. bot. italiano. V. Nr. 1—3. 1898. 8. 52. Vergl. auch Wırson, Bot. Jaarboek 1891 und Focke, Die Pflanzen- mischlinge. 8. 325.

® E. pe Janczewskı, Les Hybrides du genre Anemone. Bull. intern. Acad. Sc. Cracovie. Juin 1889 et Juin 1892. p. 230.

74 Die Nachkommen der einfachen Bastarde.

einziger Charakter findet, welcher sich in den Nachkommen der Bastarde anders verhält. Kommen aber solche neben den constanten Merkmalen vor, so gehört der Bastard in die Gruppe, welche wir im nächsten Paragraphen zu behandeln haben.

S 9. Die inconstanten Bastardformen.

Die allgemeine Regel für das Verhalten der einfachen Bastarde ist, dass sie bei Selbstbefruchtung in den nachfolgenden Generationen unbeständig sind. Der Gärtner sagt, dass sie zu varliren anfangen, für den Botaniker bringt aber das Wort Variiren, sobald es ausser- halb des Gebietes der fluktuirenden Variabilität gebraucht wird, be- kanntlich nur vage und unscharf umschriebene Vorstellungen mit sich. In den Nachkommen trennen sich die im -Bastard theils sichtbaren, theils latenten Eigenschaften seiner beiden Eltern; diese Trennungen können mehr oder weniger vollständige sein.

Bereits GÄRTNER hat gefunden, dass dieser Wechsel nicht noth- wendiger Weise alle Eigenschaften eines Bastardes trifft, dass gerade im Gegentheil nur einige davon berührt werden, während andere constant bleiben. Er giebt an, dass namentlich die Merkmale der generativen Organe zur Abwechslung geneigt sind, und unter diesen die Blüthenfarbe wohl in erster Linie; die vegetativen Organe ver- halten sich meist nach der Art der constanten Bastardrassen.! Diese Eintheilung soll aber keine scharfe sein und mehr das Vorhandensein eines Gegensatzes betonen, als die Natur dieses (regensatzes erläutern. Nach dem jetzigen Stande der Wissenschaft würde man eher sagen können, dass die systematisch höheren Merkmale im Allgemeinen mehr constant sind, während die geringwerthigen, oberflächlichen Eigenschaften, wie Farbe, Behaarung, Bewaffnung u. s. w. mehr zur Inconstanz neigen. Doch ist auch bei dieser Fassung die Grenze zwischen beiden Gruppen noch durchaus keine scharfe.

Die Bezeichnung: halbeonstante Bastardrassen würde somit auf die meisten fruchtbaren Bastarde Anwendung finden können. Ausgenommen wären einerseits nur die oben besprochenen constanten, und andererseits viele Hybriden, deren Eltern sich nur in einem oder einigen wenigen Merkmalen von einander unterscheiden.

Aber gerade die Thatsache, dass die meisten Bastarde in ihren Nachkommen in einzelnen Merkmalen constant sind, in anderen aber nicht, führt uns wieder zurück zu unserem Prinzip, dass nicht die

I GÄRTNER, a.a. 0. 8. 388 und 422.

Die inconstanten Bastardformen. 75

Gesammtheit der. Merkmale eines Bastardes Gegenstand wissenschaft- licher Erforschung sein sollte. Jede einzelne Eigenthümlichkeit sollte für sich betrachtet werden, und erst, wenn für die einzelnen Eigen- schaften die Gesetze bekannt wären, sollte man ihre Verbindung zu dem Gesammtbilde versuchen. Aber bis dahin ist allerdings noch viele Arbeit erforderlich.

Das erwähnte Verhalten ist so allgemein, dass es sich kaum lohnt, Beispiele anzuführen. Andererseits sind die Angaben über die Inconstanz meist nicht so scharf formulirt, dass man stets genau ent- scheiden könnte, welche Eigenschaften beständig bleiben und welche nicht. Dieses aber wäre offenbar das Wichtigste, und Einzelnes hierüber wurde in dem vorigen Paragraphen bereits gelegentlich mit- getheilt. HERBERT fand, dass Amaryllis Johnsoni (= A. regia X A. villata) in der zweiten Generation verschiedene Formen und Farben der Blüthen hervorbrachte.e GÄRTNER giebt an, dass Nicotiana rustica x N. paniculata, Aquwilegia vulgaris X canadensis, Dianthus barbatus x chinensis, Linum perenne X austriacum sich in der zweiten Gene- ration derart verhalten, dass einige Individuen mehr zum Grossvater und andere zu der Grossmutter hinneigen, während die meisten inter- mediär bleiben. Je näher die Eltern verwandt sind, um so grösser wird diese „Variabilität“, wie Lobelia cardinalis X fulgens, L. cardinalis x splendens, Lychnis vespertina X diurna, und namentlich sehr zahl- reiche Varietätsbastarde lehren. Berberis stenophylla ist ein käuflicher Bastard zwischen B. Darwinii und B. empetrifolia. Hursr säte davon soviel Samen aus, dass er etwa 500 Bastarde zweiter Generation erhielt (a. a. ©. S. 121); 90°/, waren wiederum B. stenophylla, während die übrigen 10°/, zwischen dieser und den beiden Eltern in den ver- schiedensten Graden schwankten. Lactuca virosa X sativa wurde von Naupin zufällig gefunden, und brachte in der nächsten Generation eine grosse Reihe von Formen hervor.!

Im zweiten Abschnitt werden wir diejenigen Fälle zusammen- stellen, welche für eine methodische Behandlung ausreichend emfach und klar sind. Es giebt daneben aber sehr viele, für welche unsere Kenntniss noch keineswegs eine genügende ist. Doch scheint es, dass die Variabilität in der zweiten Generation oft derjenigen analog ist, welche wir oben (8 6 S. 46) für die erste Generation behandelt haben, und dass namentlich dann, wenn die ursprünglichen Bastarde einförmig sind, sich in ihren Nachkommen bisweilen eine Variabilität einstellt, welche vorläufig wenigstens als ein Schwanken zwischen den beiden

! Cu. Nauoin, Ann. Sc. nat. 1875. 8.73.

76 Die Nachkommen der einfachen Bastarde.

elterlichen Extremen zu betrachten ist. Ich führe als Beispiel das Verhalten einiger Zwergvarietäten an, wie es bei Erbsen und anderen Arten von verschiedenen Forschern beobachtet wurde.

Sehr geeignet zu diesen Beobachtungen sind die Zwergvarietäten des gewöhnlichen Mohnes, von denen mehrere im Handel sind. Ich wählte Papaver somniferum nanum al- bum plenum, den sogenannten weissen Schwan, eine Varietät, welche ich durch viele Jahre eultivirt und bei reiner Befruchtung durchaus constant sefunden habe. Sie erreicht etwa S0 em, also nur wenig mehr als die halbe Höhe desgewöhnlichen P. somni- ferum (130 cm), bei gleicher Cultur. Nach der Castration befruchtete ich einige Blüthen des Zwerges mit der hohen Sorte Mephisto. Ich hatte im Sommer 1894 etwa 160 Bastarde, alle von derselben Höhe wie der Vater, und auch sonst höchst ein- förmig. Ich wählte zwei Exemplare für die Selbstbefruchtung aus und hatte aus ihrem Samen im nächsten ‚Jahre wiederum etwa 160 Exemplare, welche in jeder Hinsicht ein buntes (Gemisch von Formen bildeten, und in Bezug auf die Höhe im allen Stufen zwischen den Stammeltern schwankten. Pflanzen von mittlerer Höhe bildeten die Mehrzahl, gingen aber so continuirlich in höhere und Fig. 15. Papaver somniferum nanum niedere//Mormen, her, /plzuEaiszuE album plenum, der weisse Schwan. Eine Grenzen anzugeben waren.

ganze Pflanze. Aehnlich verhielt sich die Zwerg-

form des Antirrhinum majus in der

dritten Generation. Ich befruchtete im Sommer 1896 einige Blüthen einer niedrigen Varietät mit dem Staub einer hohen Sorte. Die Zwergvarietäten sind sehr gedrungen, mit kurzen Trauben, welche auf kurzen Aesten dicht zusammen stehen; die hohe Sorte erreicht etwa die doppelte Höhe und ist von lockerem Bau und mit langen ab- stehenden Seitenzweigen mit gleichfalls langen Trauben. Beide Sorten

Die inconstanten Bastardformen. 17

fand ich in umfangreicher, mehrjähriger Cultur samenbeständig und rein. Ich erzog im Jahre nach der Kreuzung etwa 250 Bastarde; sie hatten alle dieselbe Höhe wie die väterliche Sorte. In dieser 'ultur wählte ich eine Pflanze für die künstliche Selbstbefruchtung aus, säte ihre Samen im Jahre 1898 und hatte 41 hohe und 4 zwergige Individuen. Als ich nun diese letzteren in Pergamin- beuteln, jedes mit seinem eigenen Staub, befruchtet hatte, erhielt ich im Sommer 1899 vier Beete, jedes von einer Mutter, welche in Bezug auf die Höhe der Individuen die bunteste Mischung zeigten. Auf jedem Beet kamen typische Zwerge mit gedrungenem Bau, nebst hohen, locker verzweigten Individuen mit langen, blüthenreichen Trauben vor. Erstere trugen die Merkmale der Urgrossmütter, letztere diejenigen der Urgrossväter. Dazwischen gab es alle Uebergänge. Versuche, die Grössen durch Messungen festzustellen, scheiterten an dem Mangel eines brauchbaren Merkmales, denn die Trauben schliessen am Gipfel ihr Wachsthum nicht scharf ab. Die vier Beete trugen zusammen etwas über 600 blühende Pflanzen, von denen sehr viele theils hoch, theils zwergig waren, indem die mittleren Formen keineswegs die Mehrzahl bildeten.!

Es giebt eine Reihe von Gartenpflanzen, in denen das eine oder das andere Merkmal derart varıırt, dass man ein ähnliches Schwanken zwischen zwei Extremen annehmen kann. Und die Umstände legen dann oft die Vermuthung einer Vermischung zweier getrennter Rassen nahe. Solches war z. B. der Fall in den im ersten Bande be- schriebenen Versuchen mit Chrysanthemum segetum (Bd. I, S. 527, Fig. 149 und S. 534—555). Hier gab die Mischung der 13-strahligen und der 21-strahligen Rasse nicht eine Öurve, welche der Summe der Curven dieser beiden Rassen entsprach, sondern eme solche, welche zwar zweigipfelig war, aber ausserhalb der beiden Gipfel auf 13 und 21 Strahlen viel zu wenig Individuen enthielt, während zwischen diesen Gipfeln die Individuen derart angehäuft waren, dass sogar ein secun- därer Gipfel auf etwa 17 Strahlen entstand.?

Ueberblicken wir die in diesem Paragraphen mitgetheilten That- sachen, so ergiebt sich einerseits, dass Unbeständigkeit in den späteren Generationen bei einfachen Bastarden die all- gemeine Regel ist, dass sie aber andererseits gewöhnlich nur einen Theil der Eigenschaften betrifft, während andere

! Die Zwerge von Oenothera Lamarckiana, welche ich im ersten Bande als O. nanella beschrieben habe, geben bei Kreuzungen mit der Mutterart solche Zwischenformen nicht. Vergl. unten.

® Vergl. hierüber den folgenden Abschnitt.

78 Die Folgen wiederholter Kreuxungen.

constant bleiben. Das eingehendere Studium dieser Erscheinungen erfordert somit eine Trennung der verschiedenen Eigenschaften von einander, und eine gesonderte Behandlung jeder einzelnen; dieses Prineip soll aber erst in den nächstfolgenden Abschnitten durch- geführt werden.

III. Die Folgen wiederholter Kreuzungen.

S 10. Zweielterliche abgeleitete Bastarde.

Was wir Arten nennen, sagt BarEson, sind Mischungen von ver- schiedenen, theilweise sehr ungleichartigen Erscheinungen, und es ist die Aufgabe der wissenschaftlichen Kreuzungsversuche, diese ausser- ordentliche Quelle von Verwirrungen zu zergliedern. Nur in dieser Weise kann eine empirische Grundlage gewonnen werden, welche uns von dem ewigen Streite, was Arten sind und was nicht, wird erlösen können. !

Ich schliesse mich diesem Ausspruche durchaus an. Die Zer- lesung der Artcharaktere in ihre einzelnen Factoren ist auch für mich eins der Hauptziele der Bastardlehre. Wir können die Elemente der Art nun einmal nicht von den lebenden Organismen selbst trennen und gesondert untersuchen, etwa wie man die Krankheitserreger iso- liren und für sich eultiviren kann. Für eine elementare Eigenschaft bleibt wohl immer die Pflanze oder das Thier selbst der einzige Culturboden, auf dem sie wächst.

Diese Culturböden aber sind so zusammengesetzt, dass an eine vollständige Analyse bei Weitem noch nicht zu denken ist. Wir sind darauf beschränkt, sie zu wählen, wie wir sie finden, wir können nur dafür sorgen, dass in vergleichenden Versuchen die Difterenzpunkte möglichst wenig zahlreich und möglichst klar sind, und dass im Uebrigen die Culturböden einander völlig gleich bleiben.

Die einfachen Bastarde der ersten Generation, also die unmittel- baren Nachkommen aus der Verbindung zweier reiner Typen, lehren in der Regel in dieser Beziehung nicht viel, und auch die constanten Bastardrassen, oder der in den späteren Generationen constant blei- bende Theil der Bastardeigenschaften trägt noch wenig zur Analyse bei. Erst die Inconstanz bietet die Mittel zur Zergliederung.

' Journ. Roy. Hort. Soc. Vol. 24. 1900. S. 66.

Zweielterliche abgeleitete Bastarde. 79

Hier lernt man die Einheiten kennen, welche sich von einander los- lösen lassen, und ebenso die Gruppen der äusserlich sichtbaren Merk- male, welche unzertrennbar verbunden sind, und also wohl nur die Aeusserungen je einer einzelnen elementaren Kigenschaft sind.

Aber bei Weitem nicht alle Eigenschaften trennen sich in den Nachkommen der Bastarde. Gerade die wichtigeren, tieferen, sogenannt systematisch höheren pflegen unverändert auf die folgenden Generationen überzugehen. Hier gilt es also, nach neuen Methoden zu suchen, um dennoch das Ziel zu erreichen.

Diese neuen Wege sucht die Bastardlehre in den wiederholten Kreuzungen. Die hybriden Exemplare werden dazu nicht mit dem ‚eigenen Blüthenstaub, sondern mit demjenigen einer verwandten Art oder eines neuen Mischlings befruchtet. Die Producte nennt man abgeleitete Bastarde. Unter ihnen unterscheidet man die zwei- elterlichen oder binären, die dreielterlichen oder ternären u. s. w., je nach der Anzahl der ursprünglichen reinen Arten oder Typen, welche schliesslich zu der Entstehung des Bastardes beigetragen haben, oder welche, wie man häufig, aber unrichtiger Weise sagt, in dem Bastard verbunden sind. Ich nenne diese Bezeichnung unrichtig, weil man meist gar nicht weiss, ob alle Eigenschaften aller Eltern, oder auch nur von jedem Elter ein oder einige Merkmale in dem Bastard bei- behalten worden sind. Sie können ja gerade durch die Inconstanz oder vielleicht durch andere uns noch, unbekannte Vorgänge theilweise eliminirt worden sein. Hierauf komme ich aber erst im nächsten Paragraphen zurück.

Zweielterliche oder binäre abgeleitete Bastarde nennt man diejenigen, welche durch die Kreuzung mit einer der ursprüng- lichen Stammarten entstanden sind. Stellt man den unmittelbaren Mischling vor durch a x b, so sind die abgeleiteten binären Bastarde axbxb, axbxa, und bei weiteren Kreuzungen axbxbxbu. s.w. GÄRTNER nannte die Typen axbxb undax bx a väterliche bezw. mütterliche Bastarde. KÖLREUTER und GÄRTNER legten ein grosses Gewicht auf die Kreuzungen nach dem Typus axb xbxbu.s. w, und axbxaxau.s.w. und nannten diese Versuche das Ueber- führen der einen Art in die andere. Sie suchten dabei die Frage zu beantworten, wie viele Generationen dazu erforderlich wären.

Bei der Behandlung der einfachen Bastarde wird man, wie wir im Vorhergehenden gesehen haben, immer mehr dazu gezwungen, die constanten und die inconstanten Eigenschaften auseinander zu halten. Solches ist aber bei den abgeleiteten Mischlingen in noch höherem Grade der Fall. Betrachten wir die Möglichkeiten etwas genauer,

80 Die Folgen wiederholter Kreuzungen.

welche sich bei der Kreuzung eines Bastardes mit einer seiner Stamm- formen darbieten. Handelt es sich um eine beständige Bastardrasse, so sind die Samenknospen der hybriden Mutter, soweit sie befruchtet werden, einander im Wesentlichen gleich, und die Kreuzung kann unmittelbar mit einer künstlichen Verbindung zweier reiner Typen verglichen werden. Handelt es sich aber um Eigenschaften, welche sich in den Kindern des Bastardes verschieden verhalten, so sind offenbar bereits die Samenknospen unter sich ungleich, und werden somit bei der Befruchtung wie eine Mischung wirken. Im ersteren Falle besteht die Möglichkeit einer gleichförmigen neuen Bastard- generation, und lässt sich erwarten, dass dies die Regel sein wird und dass Schwankungen oder Variabilität nach ähnlichen Gesetzen, in besonderen Fällen, eintreten werden, wie bei den Kreuzungen reiner Typen. Im zweiten Falle werden sich offenbar die Nachkommen so herausstellen, als ob als Mutter nicht eine einzige Form, sondern eine Mischung verwandter Arten oder Varietäten gewählt worden wäre. Es lohnt sich dann kaum, die Züge der ganzen neuen Generation Zu- sammenfassend zu beschreiben; viel zweckmässiger wäre es, die Gruppen verschiedener Herkunft so viel wie möglich auseinander zu halten. Leider eignet sich die vorliegende Literatur zu einer eingehenden, kritischen Behandlung um so weniger, je complicirter die Erschemungen sind. Die Widersprüche zwischen den einzelnen Autoren lassen sich meist nur durch Controleversuche lösen, und so lange man die all- gemeinen Gesetze der Kreuzungsvorgänge, und namentlich den Einfluss der Lebenslage nur so oberflächlich kennt, wie es jetzt noch der Fall ist, besteht immer die Aussicht, dass Wiederholungen zu neuen Wider- sprüchen und somit zu einer Vergrösserung der Verwirrung führen werden. Der einzige Weg, den die Forschung unter solchen Um- ständen einzuschlagen hat, ist offenbar das Aufsuchen möglichst ein- facher und klarer Fälle, und ein eingehendes Studium von diesen. Nach diesen Auseinandersetzungen komme ich zu der Vorführung einer Reihe von Beispielen, und fange mit der wiederholten Kreuzung einer constanten Bastardrasse an. Ich wähle dazu den oben (88, S.67— 0) beschriebenen Mischling Oenothera muricata X biennis, der sich durch vier Generationen constant und einförmig erhalten hat. Diesen habe ich einerseits mit ©. muricata, andererseits mit O. biennis. gekreuzt. Die Operationen fanden im Sommer 1899 statt, und es dienten dazu theilweise überwinterte zweijährige Pflanzen aus der zweiten, zum anderen Theile aber einjährige Individuen aus der dritten Generation. Wegen der hohen Sterilität des Pollens dieser Bastardrasse wurden die Hybriden als Mütter, und die reinen Arten als Väter benutzt.

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Zweielterliche abgeleitete Bastarde. 81

Für die Versuche wurden die Bastarde castrirt. Da solches ‚aber nicht selten, zumal wenn es zu früh stattfindet, die Blüthen unbefruchtet abfallen lässt, wurden daneben auch Versuche angestellt, in denen das Castriren unterlassen wurde. Bei der hohen Sterilität des eigenen Blüthenstaubes schien diese Methode wohl zulässlich, und sind die Versuche in denjenigen Fällen, wo die abgeleiteten Bastarde einförmig und denjenigen aus den Castrationsversuchen gleich waren, jedenfalls völlig beweiskräftig. Sie liefern aber den Vortheil einer erheblicheren Ernte bei viel geringerem Zeitaufwand.

Die Bastarde wurden in dieser Weise im August 1399 mit den beiden Eltern, also mit O. biennis und O. muricata, gekreuzt. Beide Verbindungen gaben einen eindeutigen Erfolg. Es wurden von der erstgenannten etwa 80 Kinder der castrirten und ebensoviele der nicht castrirten Mütter erzogen. Im jeder dieser beiden Gruppen brachte etwa die Hälfte der Pflanzen es zur Blüthe, während die übrigen theils ihre Stengel zu spät trieben, theils Rosetten blieben, theils ım Laufe des Sommers starben. Die Blüthe dauerte von Ende August bis etwa Mitte October. Alle diese Pflanzen waren sonst unter sich gleich, und von der Mutterform O. muricata X biennis nicht merklich verschieden. Selbst die dichten, langbeblätterten und reichblühenden Trauben waren dieselben. Ob sie eine Annäherung an O, biennis darstellten, vermag ich, bei der grossen Uebereinstimmung des ursprüng- lichen Bastardes mit dieser Stammform, nicht zu entscheiden.

Die Kreuzung des Bastardes mit O. muricata verhielt sich in . dieser Hinsicht ähnlich. Auch hier war die ganze Generation wiederum einförmig. Sie umfasste wie oben S0 Pflanzen von castrirten und SO von nicht castrirten Müttern, nachdem eine zwei bis drei Mal grössere Anzahl im Juni, beim Auspflanzen, weggeworfen worden war. Aber alle diese Pflänzchen waren unter sich gleich, und die ausgepflanzten zeigten auch im August keine Unterschiede, als sie alle ihren Stengel getrieben hatten und die Hälfte bereits in voller Blüthe war.

Weder in dieser Periode noch in der Jugend unterschieden die abgeleiteten Bastarde sich merklich von der O. muricata, was wohl daher rührt, dass der primäre Bastard O. biennis x muricata dem reci- proken Mischlinge nicht gleich ist, sondern sich dem väterlichen Typus bedeutend nähert. Die neuen Hybriden wurden in Bezug auf die Blätter, Stengel, Blüthen und Früchte sowie auf die ganze Tracht,

! Dieses zeigt ferner, dass das Castriren völlig überflüssig gewesen war. Denn hätte Selbstbefruchtung stattgefunden, so würden die so entstandenen Bastarde sich sofort und auffällig von den übrigen unterschieden haben, da sie den zuerst beschriebenen biennis-ähnlichen Typus gehabt haben würden.

DE VRIES, Mutation. 11. 6

82 Die Folgen wiederholter Kreuzungen.

auch auf das Ueberhängen der Gipfel, genau verglichen, aber ohne dass es eelang, durchgehende Differenzen aufzufinden.! Die mit O. muricata befruchteten Exemplare gehörten der dritten Bastardgeneration an.

Nach GÄRTNER sind die väterlichen Bastarde oft einförmig, in vielen Fällen aber geben sie zwei verschiedene Typen; bisweilen kommt dazu sogar noch eine dritte, meist nur in einem oder einigen wenigen Individuen auftretende Form (a. a. O. 8. 430—431). Grössere Variabilität scheint nur unter besonderen, bis jetzt noch nicht aufgeklärten Bedingungen, vielleicht durch mehrmals wiederholte Kreuzungen mit den beiden Eltern, oder bei sehr inconstanten Eigen- schaften einzutreten. Ich führe davon zwei verschiedene, aber noch Zweifeln unterworfene Beispiele an.!

Linaria vulgaris X purpurea bildet wohl den bekanntesten Fall von Variabilität im ganzen Gebiete der Bastardlehre. Naupin eultivirte sie durch eine längere Reihe von Generationen und beschreibt den dabei jedesmal auftretenden Formen- und Farbenreichthum in aus- führlicher Weise.? Die diesen Darstellungen beigegebene Tafel mag auch viel dazu beigetragen haben, diesem Versuch bei Erörterungen über die Variabilität der Bastarde einen hervorragenden Platz ein- zuräumen. Doch hat es auch nicht an kritischen Bemerkungen ge- fehlt. Namentlich hat Gopron darauf aufmerksam gemacht, dass Naupis für die Isolirung seiner Blüthen nur sehr ungenügende Maass- regeln nahm.”

Naupin befruchtete im Jahre 1854 Linaria vulgaris mit L. pur- purea und erhielt drei Pflanzen, welche einander gleich und zwischen den Eltern genau intermediär waren, aber erst im zweiten Jahre keimfähige Samen trugen. Diese Samen wurden im nächsten Jahre vergessen und erst 1858 ausgesät. Sie gaben ein grosses Beet mit etwa 400 blühenden Pflanzen, in denen eine unabsehbare Mannig- faltigkeit der Formen auftrat. Wie die Pflanzen befruchtet waren, bleibt undeutlich. GoDRoN behauptet, dass dieser Bastard, wenigstens in seinen Versuchen, stets mit seinem eigenen Blüthenstaub steril gewesen sei, und dass somit Naupıv’s Pflanzen wohl durch eine oder beide Stammarten, und namentlich durch Linaria vulgaris befruchtet sein dürften, und Naupın selbst sagt darüber (S. 99): „Get emprunt

! Eine Wiederholung der beiden zu beschreibenden Versuche scheint mir dringend geboten, und habe ich diese auch bereits in Angriff genommen.

® Ouartes Naudın, Nowvelles recherches sur Uhybridite dans les vegetaux. Nouv. Archiv. du Museum d’histoire naturelle A Paris. 1865. (1869; Me&moire present en 1861.) p- 96—105. Pl. V.

3 Gopron, Mem. Acad. Stanislas. 1362.

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Zweielterliche abgeleilete Bastarde. 83

de pollen A l’esp&ce type est sans doute probable“, aber doch war er wohl nicht die einzige Ursache der grossen Variabilität.

Wie dem auch sei, die 400 Hybriden zeigten die verschiedensten Abstufungen zwischen den Stammarten. Etwa 9°/, von ihnen konnten von Linaria vulgaris nicht unterschieden werden, 21°/, verhielten sich nahezu so wie die Bastarde der ersten Generation, zeigten aber unter sich in untergeordneten Punkten noch manche Abweichungen, 5°/, näherten sich ziemlich dicht der L. purpurea, und eine einzige Pflanze war dieser in jeder Hinsicht gleich. Alle die übrigen, 65°/,, stellten sich zwischen die Linaria vulgaris und den ursprünglichen Bastard, ohne dass es möglich gewesen wäre, unter diesen nahezu 300 Exem- plaren zwei zu finden, welche dieselbe Mischung der elterlichen Eigen- schaften aufwiesen. Die Differenzpunkte der Eltern aber lagen in der Höhe und der Verzweigung der Stengel, in der Grösse und der Farbe der Blüthen, und in den orangenen Unterlippen der L. vulgaris.

Aus dieser Mischung wurden Samen der verschiedenen Typen, aber ohne reine Bestäubung gesammelt, und während fünf Generationen und mehr wiederholte sich die auffallende Variabilität. !

Geum intermedium (= Geum urbanum X rivale) ıst ein häufiger, oft spontan auftretender und von mehreren Forschern künstlich ge- machter, in geringem Grade fertiler aber constanter Bastard.?2 Eine ausführliche und kritische Uebersicht des über ihn Bekannten gab vor wenigen Jahren der jetzt verstorbene französische Forscher E. Roze, der auch selbst den Bastard gemacht hat,? mdem er @. urbanum mit G. rivale befruchtete. Die von ihm erhaltenen Mischlinge stimmten völlig mit den bekannten Beschreibungen des @. intermedium überein. Herr Roze hatte die Freundlichkeit, mir die Samen dieses Hybriden zur weiteren Fortzucht zu überlassen, theilte aber in seinem Briefe (Oct. 1896) über deren Befruchtung nichts mit. Aus diesen Samen erzog ich weit über 100 Pflanzen, welche im Jahre 1898 und in den nächstfolgenden Jahren äusserst reichlich geblüht haben und dabei eine unabsehbare Mannigfaltigkeit in den Verbindungen der elter- lichen Merkmale zeigten. Auch hier waren wohl keine zwei Exemplare einander gleich und sah man fast alle denkbaren Combinationen der beiden ursprünglichen Typen. Obgleich ich über die Constanz des

! Naupin, a. a. O. und Ann. Se. nat. 1865. 8. 159. ®? GÄRTNER, a. a. 0. S. 422. Focke, Die Pflanzenmischlinge. Menden, Ver- suche über Pflanzenhybriden. Verhandl. d. naturf. Vereins Brünn. IV. 1865. S. 40 und Ostwald’s Klassiker. 1901. 8.40. 3 E. Roze, Le Geum rivali-urbanum, in Bull. Soc. bot. France. Tome XLIII. 1896. p. 273. 6*

S4 Die Folgen wiederholter Kreux zungen.

Geum intermedium bei reiner Befruchtung selbst = oe habe, liest es auf der Hand, wenigstens einen sehr erheblichen Theil dieses Formenwechsels einer zufälligen Bestäubung mit stammelterlichem Pcllen zuzuschreiben.

Ausserdiesen beiden Beispielen giebteseine Reihe von Beobachtungen, in denen die zweite Generation einen mehr oder weniger auffallenden Formenreichthum zeigte. Handelt es sich nur um inconstante Eigen- schaften, so hat solches weiter nichts Auffallendes. In anderen Fällen dürfte die Ansicht Goprox’s zutreften, dass eine Kreuzung des Bastardes mit einer der elterlichen Formen die Ursache der erhöhten Variabilität gewesen sei.! So ist z. B. Primula variabilis ein häufig wildwachsender Hybride zwischen P. officinalis und P. acaulis, der in seinen Nach- kommen den Formenreichthum unserer Garten-Primeln erzeugt und davon seinen Namen erhalten hat. Aber Gopron, der diesen Bastard auch künstlich machte, fand ihn stets mit seinem eigenen Blüthenstaub steril, und behauptet somit, dass die vielen Formen der Nachkommen durch Befruchtung mit den Elternarten entstehen.?

Wie oben bereits bemerkt wurde, haben KÖLREUTER und GÄRTNER ein grosses Gewicht auf die Frage gelegt, durch wie viele Kreuzungen ein Bastard in eine der stammelterlichen Formen übergeführt werden kann. Dabei wurde vorausgesetzt, dass der Mischling in einer Reihe von Generationen ausschliesslich mit dem Blüthenstaub entweder der einen oder der anderen Stammart befruchtet würde. Die neuen Hybriden glichen selbstverständlich jedes Jahr mehr dem gewählten Vater, bis ein Unterschied nicht mehr zu sehen war. GÄRTNER giebt eine Liste von Beispielen (a. a. O. S. 463), aus denen ich hier die folgenden hervorhebe:

Aquilegia atropurpurea in canadensis in der 3. Generation,

canadensis , vulgaris Fe Nieotiana rustica panieulata »„ 4—9. Dianthus chinensis barbatus 5 en 1 superbus „‚Darbatus nm Dr. ,

An diese schliessen sich die übrigen Bastarde der Liste an, indem sie alle in der 3. bis 6. Generation in den Stammvater umgewandelt wurden. Bei anderen Kreuzungen kehrte bisweilen der Bastard sofort zum Typus des neuen Vaters zurück, und solches war z. B. in Naupın’s

1 Gopron, Mem. Acad. Stanislas. 1862. S. 261—263 u. 8. w. ? Vergl. auch den Primel-Bastard Naupıw’s in Nowv. Archives du Museum. 1865. 8.38 und Taf. Ill.

Ternäre und mehrfache Bastarde. 85

angeführtem Versuche mit Linaria vulgaris x purpurea in Bezug auf die Rückkehr zu L. vulgaris der Fall.

Es ist klar, dass es sich bei dieser Ueberführung wesentlich um die constanten und nur nebenbei um die übrigen Kennzeichen handelt. Denn die Inconstanz besteht ja gerade darin, dass die im Bastard verbundenen Eigenschaften der Eltern sich in seinen Nach- kommen trennen und wieder isolirt activ und sichtbar werden. Dazu bedarf es also einer Rückkreuzung mit einer der Stammformen gar nicht. Es genügt einfach eine Wahl aus den durch Selbstbefruchtung erhaltenen Nachkommen, und diese Wahl kann, wie, MENDEL! aus- führlich darlest, bei umfangreichen Culturen stets bereits in der ersten Generation der Nachkommen des Bastardes zum Ziele führen. Es handelt sich ja nur darum, ein Individuum zu finden, in welchem die einzelnen Eigenschaften in. derselben Weise verbunden sind als bei einem der Eltern. Die constanten Eigenschaften verhalten sich aber anders, denn sie sind in allen Individuen einer Bastardrasse dieselben, ändern sich im Laufe der Generationen nicht und gestatten somit kene Wahl. Die erwähnten KÖLREUTER-GÄRTNER’schen Versuche sind also doppelte gewesen; sie wählten in Bezug auf die inconstanten Merkmale die sich dem Ziele nähernden Individuen aus und schwächten die constanten Eigenthümlichkeiten des Bastardes durch die neuen Kreuzungen in einer bestimmten Richtung allmählich ab. Sie sind aber gerade aus diesem Grunde wichtig, da sie wiederum auf die Nothwendigkeit hinweisen, zwischen diesen beiden Haupttypen der elementaren Eigenschaften zu unterscheiden.

S 11. Ternäre und mehrfache Bastarde.

Nicht die Bastardirung, sondern die wiederholte Bastardirung ist im Gartenbau die wahre Quelle der „Variabilität“ Erst dadurch, dass drei, vier und mehr Sorten in den Hybriden verbunden werden, erreicht der Gärtner den bewunderungswerthen Formenreichthum seiner variablen Bastardrassen. Diese sind, wie ich bereits mehrfach betont habe, nicht im eigentlichen Sinne variable, sondern bestehen vielmehr aus einer grossen Reihe von Einzelformen, welche dann, bei neuen Kreuzungen, jedesmal diesen Reichthum erhöhen, indem sie alle, oder doch in möglichst grosser Anzahl, zur Erzeugung neuer Bastarde herangezogen werden.

! GrEGoR MEnDEL, a. a. O. 8. 45—46,

sb Die Folgen wiederholter Kreuzungen.

Was die gärtnerischen Erfahrungen uns auf diesem Gebiete lehren, werde ich im nächsten Paragraphen an einigen hervorragenden Beispielen erläutern. Hier aber möchte ich versuchen, in wie weit es gelingt, auch in diesen verwickelten Erscheinungen zu einer klaren Einsicht zu gelangen.

Im Grunde verhalten sich die Bastarde aus drei und mehr Eltern nicht wesentlich anders als die gewöhnlichen binären. Sie können ebenso einförmig und constant sein wie diese oder in ihren Nachkommen emen ähnlichen Wechsel der Formen hervorbringen.

Zunächst führe ich einen sehr einfachen Fall an, den ich durch Kreuzung meiner oben beschriebenen constanten Bastardrasse Oeno- thera muricata X biennis mit einer dritten Art erhielt. Diese einförmige Rasse von stark verminderter Fruchtbarkeit war bei künstlicher Selbstbefruchtung während vier Generationen constant geblieben und hatte bei der Rückkreuzung mit den Eltern zwei Gruppen gleichfalls einförmiger Nachkommen erzeugt (vergl. oben S. 67 und 81). Ich kreuzte sie im Jahre 1899 mit O. Lamarckiana und wählte dazu theils Individuen der zweiten, theils solche der dritten Generation aus. Sie wurden alle castrirt. Die Aussaat gab etwa 350 Pflänzchen, welche beim Verpflanzen Anfang Juni noch keine deutlichen Unterschiede zeigten.

Es wurden von jeder der beiden erwähnten Gruppen ohne Wahl SO Exemplare auf die Beete gebracht und die übrigen weggeworfen. Bereits im Juli zeigte sich aber ein Unterschied, indem die Blätter der meisten Pflanzen die gewöhnliche Breite der Blätter der Oenothera biennis und des Bastardes O. muricata X biennis hatten, während ein kleinerer Theil, etwa ein Drittel aller Individuen umfassend, sich durch schmälere Blätter auszeichnete. Hier ging die Breite dieser Organe auf etwa die Hälfte des in der anderen Gruppe normalen Werthes zurück, und näherte sich somit ganz bedeutend der für Oen. muricata gültigen Gestalt. Zu bemerken ist dabei, dass die breitblätterigen und die schmalblätterigen Exemplare keineswegs scharf von einander abgegrenzt waren, sondern vielmehr durch Uebergänge verbunden. Aehnliche Unterschiede in der Blattbreite habe ich auch sonst bei umfangreicheren Culturen von binären PBastarden von O. biennis und O. muricata mit ©. Lamarckiana als Vater beobachtet. Ein besonderer Werth ist darauf somit wohl nicht zu legen. Im August entwickelten sich die Stengel und entfalteten sich ihre Blätter, welche dabei den erwähnten Unterschied noch deutlicher zeigten.

Abgesehen von diesen somit vielleicht unwesentlichen Differenzen

Die variablen Bastardrassen des Gartenbaues. (6)

war die ganze Bastardgruppe eine einförmige, und namentlich hatten alle Blüthen die Grösse derjenigen der O. biennis.

Eine wichtige und vielfach ventilirte Frage ist die, wie viele elterliche Typen in einem Bastarde verbunden sein können. WICHURA gelang es, sechs Arten in dieser Weise zu vereinigen, und zwar führt er drei so entstandene Bastarde an. So kreuzte er Saliv Lapponum x Silesiaca mit Salix purpurea X viminalis und den daraus entstandenen quaternären Bastard verband er wiederum mit 8. einerea X incana zu einem senären. Den erwähnten quaternären Bastard kreuzte er auch mit S. caprea x daphnoides, und diesen senären wiederum mit S. daph- noides. Mehr Arten gelang es ihm aber nicht zu verbinden.

Aehnliche Versuche hat in späterer Zeit namentlich PETER gemacht, der im der Gattung Zkeracium, als die am höchsten zusammengestellten Bastarde, solche von 5 oder 6 Arten fand (a. a. O. S. 231). Er führt 13 solche Combimationen an; vielleicht kommen auch spon- tane oder theilweise spontane Hybriden mit noch complicirterer Zusammensetzung vor, aber dann lassen sich die Eigenschaften der einzelnen Stammarten nicht mehr mit hinlänglicher Sicherheit

erkennen.

Ueber die Constanz oder die Veränderlichkeit der ternären und mehrfachen Bastarde bei Selbstbefruchtung liegen nur wenige brauch- bare Erfahrungen vor. Denn in der Regel nimmt die Fruchtbarkeit in dem Grade ab, als mehr ursprüngliche Typen verbunden werden. Die Anzahl der erhaltenen Hybriden aus eimer Kreuzung lässt dann oft kein entscheidendes Urtheil zu. So hat z. B. WıcHuRA nur vier binäre Bastarde in mehreren Exemplaren gezogen (a. a. O. S. 52) und von höher zusammengesetzten häufig nur ganz einzelne Pflanzen. Nach seiner Erfahrung sind die abgeleiteten Weidenbastarde bald polymorph, bald einförmig, bald einförmig, ersteres dort, wo hybride Pollen, letzteres hingegen wo Pollen einer echten Art zur Befruchtung verwendet wurden (S. 56).

S 12. Die variablen Bastardrassen des Gartenbaues.

Schönheit und Formenreichthum sind die Ziele des Gärtners, und künstliche Bastardirungen sind die wichtigsten Mittel, um diese Ziele zu erreichen. Manche Gattungen eignen sich ganz besonders dazu, und je zahlreicher die ursprünglichen wilden Arten sind, welche sich unter einander kreuzen lassen, um so grösser wird der Reichthum an Formen unter den Bastarden, um so freier die Wahl der schönsten unter ihnen sein. Möglichst viele Arten werden somit mit einander

ss Die Folgen wiederholter Kreuzungen.

verbunden, ja es gilt als Regel, jede neu eingeführte Sorte, oder jede zufällig aufgetretene gute Varietät sofort mit allen Verwandten zu kreuzen. Es entsteht dadurch eine so grosse Menge von Formen, dass die einzelnen Handelssorten in solchen Gattungen bei Hunderten und Tausenden zählen, und dass grosse Ausstellungen, welche nur einer einzigen Gattung, wie z. B. Chrysanthemum, gewidmet sind, jetzt keineswegs mehr selten sind. Die älteren Gattungen Dahlia, Fuchsia, Pelargonium u. s. w. sind Jedem bekannt, aber auch die neueren, in bestimmter Richtung fortschreitenden, wie Begonia, Canna, Caladium, Gladiolus und Amaryllis sind jetzt in fast allen Gärten und Gewächs- häusern vertreten. (Vergl. den ersten Band S. 55 und 421.)

Die Erfahrungen, welche im Gartenbau über solche variable Bastardrassen gemacht worden sind, sind in vielen Hinsichten auch für die theoretische Wissenschaft von grosser Wichtigkeit. Doch wird diese vielfach überschätzt, und indem ich hier die Geschichte solcher Culturen an einigen Beispielen zu erläutern beabsichtige, möchte ich dabei vorausschicken, dass die Angaben der Gärtner stets mit Vorsicht aufzunehmen sind, und dass man ihnen nicht eine höhere Bedeutung geben darf, als ihnen vom Urheber selbst zugestanden wird. Der Gärtner arbeitet nun einmal nicht im Dienste der Wissenschaft, seine Mittheilungen über den Ursprung seiner Pflanzen macht er fast stets nur im Interesse der Reclame, wie wir dies ja auch bereits im ersten Bande mehrfach besprochen haben.

Ueber die ausgeführten Kreuzungen werden im Allgemeinen keine Notizen gemacht. Beim Einsammeln der Samen weiss man natürlich, welche die Mutterpflanze ist und sammelt im besten Falle die Samen der einzelnen Individuen, meist aber nur die Samen der ganzen zu den Kreuzungen benutzten Gruppe durcheinander. Aber auf jeder Pflanze werden oft die verschiedenen Blüthen mit dem Staube anderer Varietäten und Arten belegt, so